Katholiken

Missbrauchsgutachten: Kritik an Benedikt XVI. hält an

Auch nach der Korrektur von Benedikt XVI. zu seiner Aussage zum Münchner Missbrauchsgutachten ist am Montag in Deutschland die Debatte über seine Äußerungen fortgesetzt worden. Dabei überwog die Kritik, es gibt aber auch Stimmen, die den emeritierten Papst verteidigen.

So verteidigte etwa der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer Benedikt XVI. und erklärte, dieser und die Kirche würden zu Sündenböcken und Blitzableitern für ein gesamtgesellschaftliches Versagen gemacht, berichtete Kathpress.

Der emeritierte Papst hatte am Montag eingeräumt, bei seiner Stellungnahme für das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising an einer wichtigen Stelle eine falsche Aussage gemacht zu haben. Laut einem schriftlichen Statement seines Privatsekretärs Georg Gänswein, das unter anderem das Portal Vatican News und die Tagespost Stiftung am Montag veröffentlichten, sprach er von einem „Fehler“ und einem „Versehen bei der redaktionellen Bearbeitung“ seiner Stellungnahme.

Regensburger Bischof sieht „Instrumentalisierung“

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„kreuz und quer“
Di., 25.01.2022, 22:25 UHR,
ORF 2

Im Vergleich zum Schulwesen oder dem Sport sei die Kirche „meilenweit voraus“. Voderholzer fügte hinzu, es falle ihm schwer, „hinter dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, der medialen Vorbereitung und der inhaltlichen Ausrichtung nicht einen weiteren Akt der Instrumentalisierung des Missbrauchs zu sehen“.

Die Empörung über den Missbrauch sei „das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht wird“. Der Reformdialog in der deutschen katholischen Kirche geht mit der dritten Synodalversammlung vom 3. bis 5. Februar in seine nächste Runde.

Joseph Ratzinger bei seiner ersten Predigt nach der feierlichen Weihe zum Erzbischof der Erzdiözese München und Freising im Münchner Liebfrauendom
APA/dpa/Hartmut Reeh
Joseph Ratzinger bei seiner ersten Predigt nach der feierlichen Weihe zum Erzbischof der Erzdiözese München und Freising im Münchner Liebfrauendom

Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen und weiteren Angehörigen der Diözesanleitung Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten. Die Studie erhebt in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen den früheren Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, der von 1977 bis 1982 der Erzdiözese München-Freising vorstand.

Ansehen angekratzt

Für den Mainzer Bischof Peter Kohlgraf haben viele frühere Bischöfe ihre Vorbildfunktion eingebüßt. "Viele Persönlichkeiten aus der sogenannten „Ersten Liga" der Bischöfe sind heute zumindest in ihrem Ansehen angekratzt. Sie können nicht mehr meine Vorbilder sein“, schreibt Kohlgraf am Montag in Mainz unter Verweis auch auf den 2017 gestorbenen Kölner Kardinal Joachim Meisner.

„Bischofspersönlichkeiten sind komplex. Das gilt auch für den emeritierten Papst“, so Kohlgraf. „Es erschüttert durchaus meinen Glauben, wenn auch ich heute wegen des augenscheinlichen Versagens kirchlicher Amtsträger kritisiert werde. Aus dem Stolz, für Jesus Christus unterwegs zu sein, ist bei mir immer wieder auch Scham geworden und der Wunsch, die Erde möge sich unter mir auftun.“

Trierer Bischof erschüttert

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich erschüttert über die Vorwürfe gegen Benedikt XVI. „Dass hier auch einem ehemaligen Papst schwere Verfehlungen vorgeworfen werden, ist für viele Gläubige kaum mehr zu fassen und zu ertragen“, erklärte Ackermann.

Vor Ackermann hatten auch mehrere andere deutsche Bischöfe den emeritierten Papst zur Übernahme von Verantwortung aufgefordert. Auch Bischöfe und ein ehemaliger Papst könnten schuldig werden, meinte etwa der Aachener Bischof Helmut Dieser. „Und in bestimmten Situationen müssen sie das auch öffentlich bekennen, nicht nur im Gebet vor Gott oder im Sakrament in der Beichte“, so Dieser.

Missbrauch „verharmlost“

Aktivistinnen der katholischen Reformbewegung „Maria 2.0“ forderten den früheren Papst auf, seinen päpstlichen Namen abzulegen. Er habe den sexuellen Missbrauch Minderjähriger „auf geradezu dreiste Weise verharmlost“. Die Initiative „Wir sind Kirche“ forderte ein persönliches Schuldeingeständnis von Benedikt XVI. Dass er seine Aussagen korrigiert habe, reiche nicht aus.

Bereits am Freitagabend hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, von einem „desaströsen Verhalten“ von Verantwortungsträgern gesprochen und in diesem Zusammenhang auch den emeritierten Papst erwähnt.

Am Sonntag rief der Aachener Bischof Helmut Dieser zur Übernahme von Verantwortung auf. „Es kann nicht dabei bleiben, dass Verantwortliche sich flüchten in Hinweise auf ihr Nichtwissen oder auf damalige andere Verhältnisse oder andere Vorgehensweisen“, sagte er im Aachener Dom.

Kundgebung in Nordrhein-Westfalen, Essen: Franz-Josef Overbeck (M), Bischof von Essen, spricht zu Journalisten und Bürgern, Solidaritätsaktion mit Missbrauchsopfern
APA/dpa/Bernd Thissen
Kundgebung im deutschen Essen (Nordrhein-Westfalen): Franz-Josef Overbeck (M), Bischof von Essen, spricht am 21. Jänner 2022 bei einer Solidaritätsaktion mit Missbrauchsopfern

Der Würzburger Bischof Franz Jung zeigte sich offen für eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommissionen zur Aufarbeitung von Missbrauch. Zuvor hatte auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode gefordert, dass sich der emeritierte Papst nochmals äußern müsse.

Und bei einer Mahnwache in Essen versammelten sich am Freitagabend rund 50 Menschenmit denen Bischof Franz-Josef Overbeck das Gespräch suchte; er hatte den emeritierten Papst als erster deutscher Bischof aufgefordert, sich zu den Ergebnissen des Münchner Gutachtens „zu verhalten“.