Die Debatte um ein mögliches Fehlverhalten von Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising habe ihn „und viele andere in der Kirche erschüttert“, sagte Heim gegenüber dem deutschen Wochenblatt „Die Tagespost“. „Auch wegen ihrer von vielen empfundenen Einseitigkeit.“
Viele hätten sich auf Joseph Ratzinger in „sprungbereiter Feindseligkeit“ regelmäßig eingeschossen, um auf diese Weise ein von ihm vertretenes Kirchenbild zu diskreditieren. Ihn als Lügner, „nur auf den Schutz der Kirche bedachten Kirchenfürsten“ oder gar als „Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ darzustellen, könne Heim sich aufgrund seiner persönlichen Erfahrung mit dem nun Beschuldigten „überhaupt nicht vorstellen“.
Joseph Ratzinger als „Vorreiter“
Seinen persönlichen Eindruck von Ratzinger untermauerte der Abt mit dem Hinweis auf dessen Verdienste im Kampf gegen Missbrauch in der Kirche: Als Präfekt der Glaubenskongregation sei Ratzinger noch zur Zeit von Papst Johannes Paul II. „der Vorreiter“ gewesen.
Er habe sich für die kirchenrechtliche Möglichkeit eingesetzt und dann auch durchgesetzt, dass Priester wegen des sexuellen Missbrauchs als schwerwiegende Straftaten (delicta graviora) aus dem Klerikerstand entlassen werden.
Im Auftrag des Papstes habe er zudem den Bischöfen weltweit das Thema des Missbrauchs entzogen. Er habe sie damit, „manchmal zu deren Ärger, angewiesen, solche Fälle nach Rom in seine Behörde zu melden, um Missbrauch vor Ort effektiver zu bekämpfen und ortskirchliche Vertuschungen zu vermeiden“, so Heim.
„Perspektivenwechsel von Ratzinger eingeleitet“
Als Papst hatte Ratzinger 2010 die Verjährungsfrist für die kirchenrechtliche Ahndung verlängert. Zudem habe er „den längst fälligen Perspektivenwechsel eingeleitet, dass nicht die straffälligen Priester zu schützen sind, sondern die Opfer im Mittelpunkt der Hilfe und Aufklärung stehen müssen“, so Abt Heim weiter.
An die von Missbrauchsskandalen ganz besonders erschütterte Ortskirche in Irland habe Benedikt einen „aufwühlenden Brief“ gerichtet – und damit auch an die katholische Kirche weltweit. Heim betonte, dass selbst die „sonst für ihre Kirchennähe nicht gerade bekannte“ Berliner „taz“ anerkannte, dass Benedikt 2011 und 2012 Hunderte von Priestern wegen Missbrauchsvorwürfen abberief und laisierte.
„Auch Päpste sind Menschen“
Aus all diesen Gründen sei es Heim unverständlich, wie manche ihm jetzt unterstellen könnten, dieses Thema verdrängt oder verleugnet zu haben. Manche Verantwortungsträger in der Kirche, die den emeritierten Papst jetzt „sehr bereit und wohlfeil“ kritisieren, sollten sich laut dem Abt selbstkritisch fragen, ob sie beim Thema Missbrauch Ähnliches leisteten.
„Auch Päpste sind Menschen“, so Heim: „Sie sind wie wir alle in der Kirche Sünder.“ Auch die „Unfehlbarkeit“ würde dem Papst ja nur als letzte Instanz der Glaubensverkündigung zugeschrieben. Sie beziehe sich nicht auf persönliche Erinnerungen, moralische Sündenlosigkeit oder das Freisein von Fehlern. Benedikt hatte seine Anwesenheit bei einer von den Gutachtern besonders ins Visier genommenen Sitzung im Jahr 1980 zunächst dementiert. Später revidierte er seine Stellungnahme, nachdem die Gutachter ein Protokoll vorlegten, das das Gegenteil bewies.
„Von Herzen leid“
Es tue „ihm von Herzen leid“, so Abt Heim, dass sich der fast 95-jährige, gesundheitlich angeschlagene, aber immer noch geistig frische emeritierte Papst Benedikt XVI. in dieser Phase seines Lebens gerade in seinem Heimatland „für den Missbrauch entschuldigen muss, für dessen Aufklärung er sich Zeit seines Lebens intensiv eingesetzt hat“.