Straßenszene mir Coronavirus-Teststelle in Wien
APA/Georg Hochmuth
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Sektenexperte

Verschwörungstheorien „Folge von Vertrauensverlust“

Verschwörungstheorien sind die Folge von einem Vertrauensverlust in die Welt und deren Institutionen: Das sagte Johannes Sinabell, Referent für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Erzdiözese Wien.

„Verschwörungsdenken entsteht immer in einer Situation, in der das Vertrauen zusammengebrochen, angekratzt ist“, erklärt er via YouTube-Kanal der Erzdiözese Wien. Nicht jeder, der in der Coronavirus-Krise „gegen die Impfung ist und diese hinterfragt oder der gegen die Regierungsmaßnahmen ist oder gar eine andere wissenschaftliche Meinung vertritt“, sei ein Verschwörungstheoretiker, so Sinabell.

Eine Meinung werde erst dann zur Verschwörungstheorie, wenn sie von einer Personengruppe benutzt werde, um etwas zu erreichen oder zu vertuschen, sagt Sinabell in dem Video. „Im besten Fall ist eine Verschwörungstheorie auch eine Theorie, die sich irgendwann einmal auflöst, weil die Fakten dagegensprechen.“

Eher Emotion als Ratio

Man müsse sich bewusst sein, dass es bei Verschwörungstheorien weniger um rationale Überlegungen, sondern um emotionale Erfahrungen gehe. Da würde oft auch kein faktenbasiertes Argumentieren helfen. Denn dabei stelle sich immer die Frage, wer diese aufstellt, und ob dieser Person oder Institution vertraut werden kann, erklärt der Weltanschauungsexperte.

Das könne dazu führen, dass Menschen nicht mehr den etablierten Tageszeitungen, sondern „alternativen“ Medien vertrauen oder der Politik ein grundsätzliches Misstrauen entgegenbringen im Sinne von: „Die Regierung will mir Schlechtes.“ Hier werde ein gestörtes Vertrauensverhältnis konkret.

Krisen fördern Verschwörungstheorien

„Verschwörungstheorien entstehen aus Krisensituationen heraus“, so Sinabell weiter. Die Menschen seien mit einer bedrohlichen Situation oder einem Angst auslösenden Phänomen konfrontiert, das sie nicht verstehen und zu dem es vielleicht auch widersprüchliche Erklärungen gibt. Eine Verschwörungstheorie diene dann als Bewältigungsstrategie und biete eine einfache Antwort: „Hier bin ich und dort die anderen, die mir Böses wollen.“

Im Kontakt mit jemandem, der Verschwörungstheorien anhängt, müsse man sich immer bewusst sein: „Ich rede hier mit einem Menschen und nicht mit einem Verschwörungstheoretiker. Ich muss der Person mit Respekt begegnen und kann natürlich auch Respekt erwarten“, so der Referent für Weltanschauungs- und Sektenfragen.

Beziehung aufrechterhalten

An der aktuellen Coronavirus-Thematik zerbrechen Freundschaften und in Familien entstehen tiefe Gräben, wie auch Sinabel beobachtet. „Wenn es darum geht, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, wird man irgendwann sagen müssen: Okay, wir haben hier ganz konträre Einstellungen, da kommen wir nicht zusammen.“ Das ändere aber nichts daran, dass einem das Gegenüber wichtig ist, so Sinabell. „Die Basis muss sein, dass wir aufhören, uns gegenseitig überzeugen zu wollen. Wir lassen das Thema ruhen und weichen dem Punkt aus.“

Bei sehr fest gefahrenen Diskussionen empfiehlt Sinabell, das Gegenüber durch Fragen zum selbstständigen Denken anzuregen, da gerade bei Verschwörungstheorien Emotionen vor allem Rationalen liegen.

Auf der Website der Referate für Weltanschauungsfragen der katholischen Diözesen Österreichs findet sich eine Arbeitshilfe unter dem Titel „Manche glauben, die Corona-Krise wurde geplant“. Außerdem werden weiterführende Links und Materialien zum Thema angeboten.