Judentum

Rabbiner: Judentum keine bloße Vorform des Christentums

Der deutsche Rabbiner Walter Homolka mahnt die katholische Kirche zum respektvollen Dialog auf Augenhöhe mit dem Judentum. „Die oft verwendete Floskel vom ‚jüdisch-christlichen Abendland‘ verkennt, dass das Judentum nicht die bloße Vorform des Christentums ist“, so Homolka.

Das sagte der Rabbiner und Hochschullehrer laut Katholischer Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt. „Unterschwellige und offene antijüdische Tendenzen dürfen für die christliche Identitätsbildung und Lehre keine Rolle mehr spielen“, sagte Homolka.

„Die Aufgabe der christlichen Theologen wird es sein, eine Christologie zu schaffen, die ohne eine Karikatur des Judentums auskommt“, so der Rabbiner. Nicht nur humanitäre Erwägungen führten Christen und Juden zusammen. „Wir sind vielmehr um Gottes Willen miteinander verbunden.“ Es reiche nicht, dass Christen sich auf ihre jüdischen Wurzeln aus biblischer Zeit beriefen. Dialog verlange Zeitgenossenschaft, das Gespräch zwischen Christen und Juden.

Diskurs erwünscht

„Weshalb tritt man mit dem zeitgenössischen Judentum nicht in einen Diskurs, der auch wahrnimmt, dass wir in wichtigen Grundfragen oft eine andere Position einnehmen als die katholische Kirche?“, fragte Homolka. Das gelte etwa bei Empfängnisverhütung, Stammzellforschung und Ehescheidung, bei der Abtreibung und der Gleichberechtigung der Frau, außerdem bei der Ordination von homosexuellen Kandidaten ins geistliche Amt.

Hinweis auf hohen Frauenanteil

„Wir haben zum Beispiel weltweit einen Frauenanteil von über 50 Prozent bei den neuordinierten Rabbinern in den drei nichtorthodoxen Richtungen des Judentums“, erläuterte Homolka. „Vielleicht ist die Zeit gekommen, solche markanten Unterschiede auch mal mutig zu thematisieren“, sagte der Rektor des 1999 gegründeten Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, dem ersten in Deutschland nach der Schoah gegründeten Rabbinerseminar.

Im Pontifikat Papst Benedikts XVI. habe es aus jüdischer Sicht „ernüchternde“ Zeichen gegeben. „Das dogmatische Christusbild als Überbietung alles Jüdischen wurde in den Jahren von 2005 bis 2013 in einer Weise bestätigt, dass die Kluft zwischen Judentum und Christentum wieder deutlich größer geworden scheint.“

Äußerungen von Papst Franziskus hingegen seien „ein Lichtblick“, so der Professor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit. In St. Georgen sprach er zum Thema „Der unüberwindliche Graben: Wahrheit in Vielfalt“.