Queen Elisabeth

Eine Königin von Gottes Gnaden

Seit 6. Februar 1952 ist Elisabeth II. Königin des „Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland“. Ihr Anspruch auf Thron und Krone wird bis heute ganz offiziell mit der „Gnade Gottes“ begründet – ein altes Konzept der Legitimation staatlicher Macht.

Queen Elizabeth ist nicht nur Oberhaupt von 14 Staaten, sondern auf spezielle Art auch mit der Kirche verbunden. Seit der Loslösung von Rom unter Heinrich VIII. (1533) steht der König oder die Königin auch an der Spitze der „Church of England“, der Mutterkirche der anglikanischen Gemeinschaft, mit dem Titel „Supreme Governor“ (also: oberste Lenkerin). Außerdem führt sie nach wie vor den Titel „Verteidigerin des Glaubens“ (denfensor fidei), den Heinrich VIII. 1521 noch vom Papst erhalten hatte.

Niemand war so lange König oder Königin von England wie Elisabeth II.: Vor 70 Jahren, am 6. Februar 1952, starb ihr Vater Georg VI. mit 56 Jahren und sie musste „den Thron besteigen“, wie man diesen Vorgang bildhaft umschreibt. Wie Königin Margrethe von Dänemark oder Fürst Albert von Monaco beruft sie sich bei ihrem Anspruch auf Thron und Krone bis heute ganz offiziell auf die „Gnade Gottes“.

Queen Elizabeth II. 2016 an ihrem 90. Geburtstag
Reuters/Suzanne Plunkett
Queen Elizabeth II. ist zugleich das Oberhaupt der „Church of England“. Im Bild 2016 an ihrem 90. Geburtstag.

„Die Formel von ‚Gottes Gnaden‘ übernehmen wir in der europäischen Rechtsgeschichte aus der byzantinischen Zeit“, sagt Raoul Kneucker, emeritierter Professor für Politologie und Religionsrecht. Sie dient der rechtlichen Legitimation staatlichen Handelns und wird von Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert übernommen und dann „christlich überhöht“. Zunächst, so Kneucker, sei diese Formel also gar nicht christlich gewesen.

Die „Gnade Gottes“ – ein „Konglomerat“

Im „Gottesgnadentum“ würden mehrere Konzepte zu einem „Konglomerat“ zusammenfließen, so Kneucker. Neben dem römischen Gott-Kaiser schimmert auch noch das germanische Wahlkönigtum durch – das immer mit der Idee verbunden war, dass nur ein besonders begabter Mensch erwählt werden könne. Im Laufe der Geschichte kam dann der dynastische Gedanke dazu. Die Erwählung wurde also wie ein Erbe weitergereicht.

Sendungshinweis

LOGOS – Glauben und Zweifeln: „Von Gottes Gnaden“ – Der christliche Glaube und die weltliche Macht.
Samstag, 5. Februar 2022, 19.05 Uhr, Ö1.

Aber auch in der Bibel gibt es Ansätze – bereits im „Ersten“ oder „Alten Testament“: David wird tatsächlich mit göttlichem Auftrag – so der biblische Bericht – vom Propheten Samuel zum König gesalbt. Er wird damit zum Ur- und Vorbild späterer (christlicher) Könige. In den Sprüchen Salomos lässt dann Gott die Menschen wissen: „Durch mich regieren die Könige und entscheiden die Machthaber, wie es Recht ist.“ (Sprüche 8,15).

Gekrönt und gesalbt

Tatsächlich wurde Elisabeth bei ihrer Krönung am 2. Juni 1953 auch „gesalbt“. Mit „heiligem Öl“ zeichnete ihr der Erzbischof von Canterbury, Geoffrey Fisher, ein Kreuz auf Hände, Brust und Stirn – ein zutiefst sakramentaler Vorgang, der sonst nur bei der Weihe von Priesterinnen und Priestern oder Bischöfinnen und Bischöfen üblich ist. Bei der Live-Übertragung im Fernsehen (damals noch eine Sensation) wurde die Salbung daher nicht gezeigt.

„By the Grace of God" – so die englische Formel – ist Elisabeth II. Königin des „Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland“ (wie es mit vollem Namen heißt) und durch das Erbe des „British Empire“ von 14 weiteren Staaten (darunter Australien, die Bahamas und Kanada). 17 weitere „Kronen“ hat sie im Lauf ihrer langen Regentschaft verloren: Zuletzt verwandelte sich die Karibikinsel Barbados in eine Republik.

Legitimation und Verantwortung

„Gottesgnadentum heißt nicht nur Legitimation, es heißt auch Verantwortung“, sagt die katholische Theologin Ingeborg Gabriel. „Und so wurde es auch wahrgenommen.“ In der Demokratie sei diese Verantwortung auf das Volk transferiert worden. „Wenn Leute autokratischen Politikern nachlaufen oder Scharlatanen, die sie dann antidemokratisch verhetzen, dann hat das auch etwas mit individueller Verantwortung zu tun.“

Queen Elizabeth II. 1953 in Neuseeland
Königin Elisabeth II. 1953 in Neuseeland

Die Verantwortung dürfe nicht auf „die“ Politikerinnen und Politiker abgewälzt werden, sagt die emeritierte Professorin für Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien: „Hier fehlt der Realismus, der das Politische eben nicht als „Gottesgnadentum“ begreift, sondern als eine Pflicht jedes Bürgers, jeder Bürgerin in ihrer jeweiligen Funktion.“

Bibel empfiehlt keine bestimmte Staatsform

Die Antwort des Apostels Paulus auf die Frage nach der „richtigen“ Staatsform ist auf den ersten Blick überraschend einfach: Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott, schreibt er an die Gemeinde in Rom. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen (Röm 13, 1 und 2).

Kneucker interpretiert diesen Satz so: „Nicht jede Regierung, sondern die Regierung als Institution ist von Gott eingesetzt“. Die Bibel bejaht also den Staat an sich – empfiehlt aber keine bestimmte Staatsform. Regierende, „die ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllen, die das Amt schlecht verwalten“, dürfen entfernt werden. Im äußersten Fall, so Kneucker, sogar durch den berühmten „Tyrannenmord“.

„Funktionale Begrenzung“ des Staates

Die römisch-katholische Theologin Marlis Gielen sieht in den Worten des Apostels Paulus eine klare „funktionale Begrenzung“ des Staates, „um die gesellschaftliche Ordnung dadurch aufrechtzuerhalten, dass man die guten Taten belohnt und die Verbrechen bestraft.“ Dazu gehöre auch die Pflicht, Steuern zu bezahlen. Darauf ziele auch das berühmte Jesus-Wort ab: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Mt 22, 21).

„Aber damit ist auch klar: Wenn diese Ansprüche kollidieren, dann hat der Anspruch Gottes den Vorrang“, betont Gielen. Sie forscht und lehrt im Fachbereich Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Mit Herrscherinnen oder Herrschern „von Gottes Gnaden“ habe man sich in urkirchlichen Zeiten auf jeden Fall schwergetan.

König David als „role model“

Die neutestamentlichen Autoren lebten im ersten und zweiten Jahrhundert unter einem römischen Kaiser, der oft schon zu Lebzeiten zumindest „in die Nähe einer Gottheit gerückt“ worden sei, so Gielen. Noch im dritten Jahrhundert wurden Christinnen und Christen blutig verfolgt, wenn sie dem „Gott-Kaiser“ das kultische Opfer verweigerten. Der klare Monotheismus ihrer jüdischen Wurzeln ließ der jungen Kirche in dieser Frage kaum Spielraum.

Wenige Jahre später beginnt dann aber unter Kaiser Konstantin der Aufstieg des Christentums zur offiziellen Reichsreligion – eine historische „Wende“ im wahrsten Sinn des Wortes. Ein weiterer Meilenstein ist dann die Krönung von Karl dem Großen zum Kaiser (im Jahr 800) durch Papst Leo III.: Der fränkische Monarch interpretiert sein Amt klar biblisch mit König David als eine Art „role model“.

Zukünftige Krönung mehr „multi“

Nach 70 Jahren auf dem Thron zählt die Queen zu den längst dienenden Staatoberhäuptern aller Zeiten. Am 21. April vollendet sie zudem ihr 96. Lebensjahr. Angesichts dieser Zahlen muss auch ein Blick voraus gestattet sein, auf die allfällige Krönung ihres Nachfolgers. „Ich bin sehr gespannt auf die Gottesdienstordnung für diese Inthronisierung“, sagt Patrick Curran, Seelsorger der anglikanischen Gemeinden in Wien.

Queen Elizabeth II. 2021
Reuters/Pool
Queen Elizabeth II.

Die Krönung von Elisabeth II. sei noch „christlich durch und durch“ gewesen, so Curran: „Es war ganz klar, dass sie eine christliche Monarchin ist.“ Bei Charles III. werde das in dieser Form nicht mehr möglich sein. Als Priester der „Kirche von England“ wünscht er sich natürlich wieder eine eindeutig christliche Zeremonie – aber mit neuen Akzenten wie zum Beispiel bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle.

„Diese Hochzeit war christlich, ganz klar, im Kern, aber die anderen Religionen wurden mit eingebunden und hatten auch eine Präsenz“, sagt Curran: Eine künftige Krönung müsse die gesellschaftliche Realität wiedergeben. „Wir sind multinational, multireligiös, multiethnisch, multilingual – und zwar schon immer, wenn man das bedenkt.“ Das muss auch bei der Krönung zum Ausdruck gebracht werden.