Deutsche Bischöfe
Reuters/Kai Pfaffenbach
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Deutschland

Kritik: Kirche in Moralfragen auf Sex „fixiert“

Mit großer Mehrheit hat sich der „Synodale Weg“ der Katholiken in Deutschland für eine Modernisierung der kirchlichen Sexualmoral ausgesprochen. Konkret geht es um Änderungen der Aussagen zur Empfängnisverhütung sowie zur Homosexualität im Katechismus, also der verbindlichen Text-Sammlung der katholischen Lehre. Die Fixierung auf Sex in Moralfragen wird bemängelt.

Die Vollversammlung in Frankfurt stimmte am Samstag in Erster Lesung mehrheitlich für zwei entsprechende Papiere, wie die römisch-katholische Nachrichtenagentur Kathpress am Samstag berichtete. Einer der beiden sogenannten Handlungstexte empfiehlt dem Papst, eine „lehramtliche Präzisierung und Neubewertung der Homosexualität“ vorzunehmen. Ausgelebte gleichgeschlechtliche Sexualität sei keine Sünde und „ist nicht als in sich schlecht zu beurteilen“, so das Papier.

„Da die homosexuelle Orientierung zur Identität des Menschen gehört, wie er von Gott geschaffen wurde, ist sie ethisch grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als jede andere sexuelle Orientierung.“ In der vorangegangenen Debatte herrschte Einigkeit, dass es keine Diskriminierung von Homosexuellen in der Kirche geben dürfe.

Knackpunkt Empfängnisverhütung

Der zweite Handlungstext empfiehlt dem Papst eine Weiterentwicklung des Verständnisses von „ehelicher Liebe“ im Katechismus, unter anderem mit Blick auf Empfängnisverhütung, die nach offizieller katholischer Lehre nur sehr eingeschränkt erlaubt ist.

„Dass die Zeugung eines Kindes niemals als Unglück bewertet werden muss und darf, bleibt der hohe Wert, den die Kirche aus ihrem Menschenbild heraus vertritt, auch wenn sie keine Festlegung auf bestimmte Methoden der Empfängnisverhütung verlangt“, heißt es in dem Reformtext.

Fern der Lebensrealität

In einer lebhaften Debatte wurde mehrfach die Meinung geäußert, dass die geltende katholische Sexualmoral kaum mehr etwas mit der Lebensrealität vieler Katholikinnen und Katholiken zu tun habe. Kritisiert wurde, dass sie zu sehr eingreife in das Zusammenleben von Paaren und zu stark auf Sex fixiert sei. Kritiker warnten davor, die bestehende Lehre völlig zu entwerten. Mehrere Bischöfe warnten vor einem Bruch mit der kirchlichen Lehre.

Zuvor hatte der „Synodale Weg“ seinen Bestrebungen um eine Zulassung von Frauen zu Weiheämtern Nachdruck verliehen. Am Freitagabend verabschiedete die Vollversammlung des „Synodalen Wegs“ in Frankfurt mit deutlicher Mehrheit zwei Handlungstexte. Diese plädieren für einen Frauendiakonat sowie für die Gründung einer Kommission, die sich mit dem Thema des „sakramentalen Amtes von Menschen jeden Geschlechts“ befassen soll.

Diakonat der Frau gefordert

Das Papier „Diakonat der Frau“ sieht vor, dass die deutschen Bischöfe beim Papst eine Erlaubnis für die Öffnung des diakonischen Amts für Frauen beantragen. Ein sogenannter Indult, ein Gnadenerweis, soll mit Blick auf jenen Passus des Kirchenrechts erwirkt werden, der festschreibt: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.“ In der Debatte äußerten mehrere Teilnehmer die Ansicht, dass ihnen der Antrag nicht weit genug gehe. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte indes, er könne sich nicht vorstellen, dass der Vatikan solch einem Indult zustimmen werde. Das Anliegen eines Frauendiakonats unterstütze er aber.

Zuvor hatte das Reformprojekt in einer von Teilnehmern als historisch bezeichneten Abstimmung mit großer Mehrheit (85 Prozent) für einen entsprechende Grundtext votiert. Das Papier befasst sich mit der Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche und betont: „Nicht die Teilhabe von Frauen an allen kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern der Ausschluss von Frauen vom sakramentalen Amt.“

Weltkirche muss entscheiden

Für den Ausschluss von Frauen aus der Verkündigung gebe es „keine klare Traditionslinie“. Neben „vermeintlich eindeutigen Aussagen im Mainstream der Tradition zu Ungunsten von Frauen“ habe es immer auch gegenläufige Entwicklungen gegeben. Ferner wird eine „grundlegende Befragung und Veränderung der herrschenden Strukturen und Machtverhältnisse“ gefordert. Gleichwohl kann das Papier auch nach einer möglichen Verabschiedung in Zweiter Lesung keine praktische Veränderungskraft entfalten, da die entsprechenden Regelungen nur auf Ebene der Weltkirche veränderbar sind.

Papst-Botschafter Nicola Eterovic appellierte unterdessen an die deutschen Katholiken, die Einheit mit der gesamten Kirche zu wahren. Als Beobachter sagte Eterovic am Samstag in Frankfurt, die für 2023 angekündigte Weltbischofssynode müsse auch den Ortskirchen als Maßstab dienen, die sich schon jetzt in ähnlichen Prozessen auf nationaler Ebene befänden. Papst Franziskus spreche zwar oft von Synodalität, warne aber vor „Parlamentarismus, Formalismus, Intellektualismus und Klerikalismus“, so der Apostolische Nuntius. Beim Synodalen Weg sei deshalb „Unterscheidungsvermögen“ notwendig, es gehe nicht darum „Meinungsforschung zu betreiben“, zentral sei das Wort Gottes als „Leuchtfeuer“.

Auch für Österreich wichtig

Wolfgang Rank vom Katholischen Laienrat Österreichs sagte, die große Mehrheit der Christen im Nachbarland schaue „mit großer Aufmerksamkeit und mit hohen Erwartungen“ auf das Reformprojekt. Die Gedanken, die beim Synodalen Weg besprochen würden, seien auch für Österreich „eine wichtige Quelle“. Die Katholiken unterstützten zudem den Vorbereitungsprozess zur Weltbischofsynode.

Jerome Vignon, der die französische Partnerorganisation des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vertritt, betonte vor den rund 200 Teilnehmenden des Reformdialogs, Misstrauen und Befürchtungen, „die der deutsche Wagemut durchaus hervorrufen kann“, zerstreuten sich inzwischen. Erst der Schock über die „fortwährenden Enthüllungen“ sexuellen Missbrauchs ließen den Prozess verstehen. Auch die französischen Bischöfe sähen systemische Dimension. Ursachen seien „herrschsüchtige Machtpraktiken, unangemessene kirchenrechtliche Regeln und bestimmte fragwürdige theologische Auffassungen“. Die Synodalversammlung erlebe er als „Raum der Hoffnung“.