Missbrauch

Neue Vorwürfe gegen 2017 verstorbenen deutschen Bischof

Nach Bekanntwerden erster Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen den früheren Adveniat-Geschäftsführer und Bischof Emil Stehle (1926-2017) haben sich inzwischen weitere Betroffene gemeldet.

Das Hilfswerk Adveniat hat bis heute Hinweise von insgesamt fünf Personen erhalten, „die auf eine Täterschaft Stehles in Fällen sexuellen Missbrauchs hindeuten“, wie ein Sprecher der Organisation am Montag der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur KNA sagte.

Bei der Juristin Antje Niewisch-Lennartz, die für eine Aufarbeitungsstudie in der Diözese Hildesheim verantwortlich war, haben sich demnach „sechs Frauen mit Missbrauchsvorwürfen“ gegen Stehle gemeldet.

Sowohl Adveniat als auch Niewisch-Lennartz verwiesen auf den Wunsch der Betroffenen nach Anonymität und nannten keine weiteren Einzelheiten. Unklar blieb auch, ob es um Missbrauch Minderjähriger oder um sexuelles Fehlverhalten gegenüber Erwachsenen geht.

Vorwurf der Vertuschung

In der im September vorgestellten Studie zu sexueller Gewalt in der Diözese Hildesheim wird Stehle vorgeworfen, an Vertuschung von Missbrauchstaten eines Hildesheimer Priesters mitgewirkt zu haben, indem er diesen im Ausland einsetzte.

Nach der Veröffentlichung meldeten sich erste Betroffene, die von sexuellem Fehlverhalten durch Stehle berichteten. Zudem wurde bekannt, dass in der Erzdiözese Freiburg, woher Stehle stammt, bereits 2005 ein Hinweis einer Betroffenen auf „übergriffiges und grenzüberschreitendes Verhalten“ durch den Geistlichen eingegangen war.

Warten auf Ergebnisse einer unabhängigen Untersuchung

Weitere Erkenntnisse soll eine unabhängige Untersuchung bringen, die die Deutsche Bischofskonferenz im Dezember in Absprache mit Adveniat in Auftrag gegeben hat. Dabei sollen Akten der von Stehle geleiteten Stelle „Fidei Donum“ nach weiteren Hinweisen auf mögliches Fehlverhalten durchsucht werden. Ergebnisse werden bis Mitte des Jahres erwartet.

Der Adveniat-Sprecher erklärte, allen Betroffenen, die sich bei dem Hilfswerk gemeldet haben, habe man angeboten, ihren Fall in die unabhängige Aufarbeitung aufzunehmen. Die eingegangenen Meldungen seien je nach Zuständigkeit an die Deutsche Bischofskonferenz, die Erzdiözese Freiburg oder die jeweils betroffene Diözese in Lateinamerika weitergeleitet worden.

Umfangreiche Erfahrungen im Auslandseinsatz

Stehle wurde 1926 in Mülhausen im heutigen Baden-Württemberg geboren und 1951 in der Erzdiözese Freiburg zum Priester geweiht. Er war zunächst dort und später als Auslandsseelsorger in Kolumbien tätig.

Von 1972 bis 1984 leitete er die damals von der Deutschen Bischofskonferenz geschaffene Stelle „Fidei Donum“, die inzwischen bei Adveniat angesiedelt ist. Sie koordiniert Auslandseinsätze für aus den deutschen Diözesen entsandte Priester.

1972 wurde Stehle stellvertretender Adveniat-Geschäftsführer und 1977 Geschäftsführer. Ab 1983 wirkte er parallel als Weihbischof in der Erzdiözese Quito in Ecuador.

Im Ruhestand nach Deutschland zurückgekehrt

1987 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Santo Domingo de los Colorados in Ecuador. Mit Eintritt in den Ruhestand 2002 zog sich Stehle zurück in seine Heimatdiözese Freiburg, wo er 2017 nach langer Krankheit starb.

Er trug drei Ehrendoktortitel, erhielt das deutsche Bundesverdienstkreuz und war wegen seiner Vermittlung im Bürgerkrieg in El Salvador für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.