Papst Franziskus und Benedikt XVI. im Vatikan, 28. November 2020
APA/AFP/Vatican Media/Handout
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Missbrauchsskandal

Papst sichert Benedikt XVI. Unterstützung zu

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. bekommt Unterstützung für seinen Brief als Antwort auf das Münchner Missbrauchsgutachten. Papst Franziskus habe Benedikt XVI. einen sehr schönen Brief geschrieben, sagte Erzbischof Georg Gänswein (65), Privatsekretär des emeritierten Papstes, in einem Interview des italienischen Senders Rai 1 am Mittwochabend.

In dem Brief spreche Franziskus als Seelsorger, als Mitbruder und als Mensch, der noch einmal sein volles Vertrauen, seine volle Unterstützung und sein Gebet zum Ausdruck bringe. Angesprochen auf Kritik an der jüngsten Stellungnahme Benedikts in deutschen Medien sagte Gänswein: „Wer sie aufrichtig liest, kann diese Kritik nicht teilen. Er bittet um Vergebung für alle Opfer von Missbrauch.“ Ebenso wiederholte der Erzbischof, dass Joseph Ratzinger beziehungsweise Benedikt XVI. viel in diesem „sensiblen Bereich“ getan habe.

Das Schreiben Benedikts sei das Dokument eines „großen Gläubigen und eines großen Humanisten“, betonte der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Bischof Vincenzo Paglia, im Interview mit dem italienischen Radiosender „Radio 24“ am Donnerstag.

Ratzinger nimmt „Schuld auf sich“

In seinem Brief nehme Joseph Ratzinger „die Schuld aller auf sich“. „Er war der erste, der von diesem ‚Schmutz‘ in der Kirche gesprochen hat“, sagte Paglia. Benedikt habe sofort nach seiner Wahl zum Papst ein Verfahren in Sachen Missbrauch in der Kirche eingeleitet.

„Ich glaube, er ist ein Beispiel für die gesamte Kirche, aber auch für die gesamte Gesellschaft, denn dieses dramatische Übel der Gewalt gegen Kinder ist transversal, es betrifft alle Institutionen der Gesellschaft“, so Paglia.

Lektion in Demut

Weitere hochrangige italienische Kirchenvertreter verteidigten am Donnerstag Benedikt XVI. und sein Schreiben zum Münchner Missbrauchsgutachten. Ratzingers Brief sei ein Wendepunkt, sagte der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, der Zeitung „La Stampa“. Die Bitte um Vergebung für das Versagen, das Zeigen von Schmerz und tiefer Scham, erteile eine Lektion in Demut und Verantwortung und beweise Mut, so der 66-Jährige, der Papst Franziskus nahe steht.

Zuppi lobte die Offenheit des emeritierten Papstes und den „edlen, geistlichen und menschlichen Text“. Dass der Brief einen Schatten auf Benedikt als Papst und Person werfe, glaube er nicht. Im Gegenteil sehe er mit diesem Eingeständnis dessen Autorität als Mensch, Priester, Bischof und emeritierter Papst gestärkt.

Brief „überwältigend“

Auch Mailands früherer Erzbischof, Kardinal Angelo Scola, lobte den Brief von Benedikt XVI. in einem Interview von „La Repubblica“. Dieser habe ihm wieder bestätigt, dass Ratzinger ein Mann sei, der sich im Dienst der Wahrheit sehe.

Es sei absurd zu behaupten, er habe gelogen, um sich zu verteidigen. Für Scola ist der „tiefgründige Brief“ mit der Übernahme der Verantwortung für jedes Mitglied der Kirche ein „überwältigendes Zeugnis in einer Zeit des Individualismus“.

Opfer von Stellungnahme enttäuscht

Hintergrund ist der von Benedikt am Dienstag veröffentlichte Brief zum Münchner Missbrauchsgutachten. Darin entschuldigt sich der emeritierte Papst bei den Betroffenen und drückt seine „tiefe Scham“ und seinen „großen Schmerz“ aus. Zugleich wehrt sich der frühere Papst gegen den Vorwurf, als Erzbischof von München (1977-1982) Missbrauchsfälle aktiv vertuscht zu haben.

Die Stellungnahme des emeritierten Papstes hatte unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. So begrüßte etwa der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, die Aussagen in einer kurzen Twitter-Nachricht, ohne näher auf Inhalte einzugehen. Opfer von Missbrauch reagierten überwiegend enttäuscht und warfen Benedikt unter anderem wenig Empathie und der Kirche weitere Relativierungen beim Thema Missbrauch vor. Der ehemalige Papst kenne nur seine eigene Sichtweise.