Buchhinweis

Kulturgeschichte vom Heiligen und Nackten

„Je rigider die Sexualmoral einer Gesellschaft, desto nackter werden die Heiligen in der katholischen Bilderwelt, umso mehr blitzt der Busen der büßenden Maria Magdalena unter ihren langen Haaren hervor.“ So lautet eine Erkenntnis des Theologen und Kunsthistorikers Markus Hofer.

Der Autor legt mit „Das Heilige und das Nackte“ einen reich bebilderten Streifzug durch die Kulturgeschichte vor. „Sex sells – offensichtlich auch unter den Heiligen“, merkt der Verlag dazu lapidar an.

In seinem – durchaus auch humorvollen – Gang durch die Kulturgeschichte erläutert Hofer, langjähriger Leiter des Männerbüros der Diözese Feldkirch, die vielen Facetten des „immerwährenden lustvollen Spannungsverhältnisses zwischen diesen beiden, den Menschen so bestimmenden Bedürfnissen“, heißt es weiter.

Cover von Markus Hofers „Das Heilige und das Nackte“
Tyrolia
Markus Hofer, „Das Heilige und das Nackte – eine Kulturgeschichte“, Tyrolia 2022, 192 Seiten

Sexualität und Heiligkeit nicht trennbar

Der Versuch, Sexualität und heilige Orte bzw. Räume des religiösen Erlebens strikt voneinander zu trennen, „scheitert unweigerlich“, so Hofer. Sexualität erweise sich als eine starke Kraft „und sie sucht sich ihren Weg, manchmal auch ganz unerwartet“.

Hofers Streifzug reicht von der Venus von Willendorf aus der Altsteinzeit über die idealisierte Nacktheit der Griechen und dem „gar nicht so finsteren“ Mittelalter bis in die Neuzeit, die sich als „alles andere als liberal“ erweise. Zunehmendes Moralisieren rund um das Thema Sexualität mache die Sache erst recht interessant.

Projektionsfläche für Fantasien

Die von der Tradition als Prostituierte und Sünderin gebrandmarkte Maria von Magdala wurde laut Hofer „zum Prototyp der Projektionsfläche für Männerfantasien“; für das Titelbild seines Buches wählte er nicht umsonst ein Tizian-Gemälde der Auferstehungszeugin, in dem deren Heiligkeit angesichts der weiblichen Blöße „dann doch zum Schein verkommt“.

Als Pendant für Frauen habe der von Pfeilen durchbohrte, oft nur mit Lendenschurz dargestellte heilige Sebastian gedient. Jedoch: „Das erotische Muster der Frauen dürfte um einiges komplexer sein“, schreibt der an der Fachstelle Glaubensästhetik in Feldkirch tätige Autor. „Da geht es nicht vorrangig um einen knackigen Po, sondern um Beziehungen und Geschichten, um Status und gesellschaftliche Symbole“.

Selbstdarstellung statt Sehnsucht nach Schönheit

Heute stehe das Geschäft mit der Sexualität und die Selbstdarstellung im Vordergrund und nicht mehr die Sehnsucht nach Schönheit, so der kritische Gegenwartsbefund Hofers. Und er hält fest: „Das raffinierte Spiel von Zeigen und Verbergen macht eigentlich erst die Erotik aus, die menschlich kultivierte Form dessen, was früher einfach Fortpflanzung war…“

Der Autor präsentiert sein Buch u.a. am 29. März im Bregenzer „vorarlberg museum“.