Zwischenbericht

Missbrauch in Tiroler Heim: Aufarbeitung „schwierig“

Die zur Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe im mittlerweile geschlossenen Mädchenheim Martinsbühel in Zirl (Tirol) eingesetzte Kommission stößt bei der Aufarbeitung auf Probleme.

Wie die „Tiroler Tageszeitung“ („TT“, Mittwoch-Ausgabe) berichtete, sollen sich die damals verantwortlichen, inzwischen in der Schweiz im Kloster Sarnen übersiedelten Benediktinerinnen bei der Zusammenarbeit kaum kooperativ zeigen. Bisher wurden 253 Übergriffe – darunter sexuelle, seelische und physische Misshandlungen und Verwahrlosungen – dokumentiert.

Im zweiten Zwischenbericht berichtete die vom Land Tirol und der Diözese Innsbruck im Frühjahr 2019 eingesetzte Dreierkommission von einem Lokalaugenschein in Martinsbühel mit einer dort als Kind bzw. Jugendliche jahrelang untergebrachten Frau, wie die Dreierkommission am Donnerstag auch in einer Medienmitteilung erklärte.

Abgeschieden und Gewalt ausgeliefert

Die Fachleute und der ebenfalls anwesende Erzabt Korbinian Birnbacher von der Salzburger Erzabtei St. Peter hätten dabei „ahnen und spüren“ können, „wie die Situation für viele der Mädchen vor Ort gewesen sein muss: abgeschieden und immer wieder unterschiedlichen Gewaltformen ausgeliefert“.

Die noch lebenden Benediktinerinnen seien trotz eines Appells des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler offenbar kaum an einer Aufarbeitung interessiert, berichtete die „TT“ weiter. Die Kommission selbst bezeichnet die Zusammenarbeit als „bedauerlicherweise sehr schwierig“.

Akten fehlen

Abgesehen davon könne aber von einer konstruktiven Zusammenarbeit mit allen – konfessionellen wie öffentlichen – Stellen berichtet werden. Probleme hat die Kommission mit alten Akten. Dokumentationen aus den 1950er Jahren der Jugendwohlfahrt würden nämlich fehlen. Man erhoffte sich, daraus Schlüsse über die Verantwortung der Beamten bzw. der Politik ziehen zu können.

Mittlerweile konnten laut dem Kommissionszwischenbericht rund 60 Personen, die sich in der Obhut Tiroler Heime nach 1945 befunden hatten, befragt werden. Nach einem entsprechenden Aufruf an Zeitzeuginnen sei die Resonanz „völlig unerwartet“ sehr groß gewesen. Das mache „deutlich, welch große Bedeutung diese Aufarbeitung gerade auch für die Betroffenen hat“.

Sehr große Resonanz

Die „Dreierkommission Martinsbühel“ nahm ihre Arbeit mit Blick auf öffentliche Einrichtungen im März 2019 auf und erweiterte die Recherchen danach auf alle konfessionellen Einrichtungen zur Heimunterbringung.

Im Rahmen des daraus entstandenen Forschungsprojekts zu den kirchlichen Heimen in Tirol nach 1945, das von der Dreierkommission begleitet wird, wurden die Heime Martinsbühel (auf dem der Fokus liegt), Scharnitz, das Josefinum/Volders, die Bubenburg/Fügen, St. Josef/Mils, Thurnfeld/Hall und das Elisabethinum/Axams untersucht. Dabei werde auch auf die von einigen Einrichtungen bereits selbst in Auftrag gegebenen Forschungsarbeiten zurückgegriffen, hieß es.

Für angemessene Erinnerungskultur

Nun soll das erhobene Datenmaterial ausgewertet werden. Ein entsprechender Abschlussbericht der Kommission soll aufbauend auf den Erkenntnissen auch Vorschläge zu strukturellen Rahmenbedingungen der Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen beinhalten.

„Zudem werden Vorschläge und Überlegungen für eine angemessene Erinnerungskultur erarbeitet“, kündigte Vorsitzende Margret Aull an. Der Kommission gehört unter anderen Judit Nötstaller an, die stellvertretende Vorsitzende der Ordenskonferenz der Diözese Innsbruck.