Ukraine-Krieg

Theologe: Haltung von Moskauer Patriarch „Tiefpunkt“

Als „moralischen Tiefpunkt in Geschichte der Christenheit“ hat der deutsche Theologe Thomas Kremer die Haltung des Moskauer Patriarchen Kyrill I. im Ukraine-Krieg bezeichnet. Kyrill hatte die Angriffe nicht verurteilt und dem Westen die Schuld daran gegeben.

Teile dieser Kirchenleitung seien „offenbar völlig untragbar geworden“, schrieb Kremer in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de am Sonntag. Die russische orthodoxe Kirche sei „hinsichtlich des Reichtums ihrer Geschichte und Theologie ein Juwel der Christenheit, das sollte man auch in diesen Tagen nicht verkennen“, betonte der Professor für die Theologie des Christlichen Ostens an der Universität Eichstätt.

Es sei für die russisch-orthodoxen Gemeinden jedoch an der Zeit, „sich entschieden und unerschrocken zu bekennen“. Das täten sie „vielleicht noch nicht lautstark genug“. Nach Kremers Einschätzung hat die russisch-orthodoxe Kirche nur noch ohne den Moskauer Patriarchen Kyrill I. eine Zukunft.

Kyrill I. fiel in den vergangenen Tagen mit Aussagen auf, der Westen sei schuld am Krieg. Die russischen Angriffe legitimierte er indirekt damit, Gläubige sollten vor „Gay-Pride-Paraden“ Homosexueller geschützt werden. Diese Darstellung bezeichnete Kremer als „perfide“.

Dualistische Weltsicht

Der Patriarch beschwöre eine dualistische Weltsicht, „bei der es einem nur kalt den Rücken herunterlaufen kann“. Zugleich äußere Kyrill „Andeutungen“, die wie Drohungen gegen Orthodoxe anmuteten, „die nicht auf Linie sind“. Dies sei „vollkommen verstörend“.

Der Krieg in der Ukraine sei „kein eigentlicher Glaubenskrieg, denn seine Inhalte sind nicht religiöser Natur“, so Kremer. „Aber er wird – übrigens auch entgegen der offiziellen Sozialdoktrin der russisch-orthodoxen Kirche – mit der höchsten kirchlichen Autorität Russlands gerechtfertigt“.

„Rückfall in Vormoderne“

Insgesamt falle Russland in vormoderne Zeiten zurück, beklagte der Forscher. „Identitätssuche geschieht unter Rückgriff auf mythische Urgründe, die keiner rationalen Nachfrage standhalten und denen die Errungenschaften einer modernen Zivilgesellschaft Fremdworte sind“.

Präsident Wladimir Putin bediene „Klischees, die immer um die Wiederherstellung eines ‚historischen Russland‘ kreisen und deshalb heute so brisant sind, weil er der Ukraine darin faktisch das Recht abspricht, als eigener Staat zu existieren“.

Frieden könne es nur geben, wenn die Staaten einander als legitime, gleichberechtigte Partner akzeptierten. Letztlich würden in der Ukraine „nicht weniger als die Grundfeste aller Menschenrechtskonventionen und einer freiheitlich-staatlichen Grundordnung verteidigt“.