Innsbruck

Bischof verteidigt Altarbild mit halb nacktem Mann

Bischof Hermann Glettler hat eine von ihm ausgewählte Kunstinstallation während der Fastenzeit in der Innsbrucker Universitätskirche St. Johannes verteidigt. Das Bild, das einen halb nackten Mann zeigt, hatte Kritik hervorgerufen.

Gegenüber dem Webportal Katholisch.de erklärte der studierte Theologe und Kunsthistoriker zu „kritischen Reaktionen auf konservativen Nachrichtenportalen“, das bis Ostern als verhüllendes Altarbild fungierende großformatige, mit „tired?“ (dt.: müde?) betitelt Foto der international renommierte Fotokünstlerin Carmen Brucic solle „ähnlich wie ein Fastentuch zum Mitfühlen anregen und kein Ärgernis sein“.

Für Glettler reiht sich die Darstellung eines Mannes mit nacktem Oberkörper auf einem gestreiften Leintuch, dessen Körperhaltung gleichzeitig für Erschöpfung und Widerstand stehe, in die Tradition der mittelalterlichen Fastentücher ein.

Am Faschingdienstag präsentiert

Bereits am Faschingdienstag hatte der Bischof bei der Präsentation dieser und zweier weiterer Kunstinstallationen in drei Kirchen der Innsbrucker Innenstadt während der Fastenzeit die Arbeit von Carmen Brucic erläutert.

Das temporäre Altarbild – die erste derartige Kunstintervention in der Neuen Universitätskirche am Innrain – zeigt den georgischen Aktivisten und queeren Künstler mit auch ukrainischen Wurzeln David Apakidze. Dessen Arm zeige gewissermaßen ein „V“ wie für „Victory“, so Glettler. Er wertete diese Ambivalenz als „ein ganz starkes Fasten- und Ostersymbol“. Brucic stelle mit ihrem Altarbild „Fragen nach dem Erschöpfungszustand unserer Gesellschaft, nach Formen des Widerstands zur Rückgewinnung menschlicher Freiheit und Selbstwirksamkeit“.

„Widerstand, auch gegen Krieg“

Die Fotokünstlerin selbst erklärte im Gespräch mit Katholisch.de: „Apakidze versteht sich als Künstler im Widerstand, auch gegen den Krieg.“ Schon als Kind habe er die russischen Angriffe auf Georgien im Kaukasus-Krieg miterlebt und leide bis heute darunter. „Gegenwärtig haben wir in der Ukraine einen Krieg und die Kinder und Jugendlichen dort erleben genau dieselben Traumata wie er als Zehnjähriger damals“, sagte Brucic.

Bei der Auswahl des Fotos habe weder Bischof Glettler noch die Künstlerin selbst ahnen können, dass der ins Bild gerückte „ambivalente Zustand zwischen Absturz und Ausruhen, Ohnmacht und Ergebung“ eine gleichsam prophetische Wirkung entfalten würde.

Ein Fasten- oder Hungertuch verhüllt in der Fastenzeit in katholischen und evangelischen Kirchengebäuden die bildlichen Darstellungen Jesu, in der Regel das Kruzifix, das den Kreuzestod Jesu darstellt. Kunst zu den Themen „tired? lost? displaced?“ ist noch bis zum Ende der Karwoche in Innsbrucker Kirchen zu sehen.