Moskau

Patriarch: Russen sollen sich hinter Kreml stellen

Der russisch-orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. hat seine Landsleute aufgerufen, sich hinter die Staatsführung zu stellen. „Möge der Herrgott uns allen in dieser schweren Zeit für unser Vaterland helfen, uns zu vereinen, auch um die Staatsorgane herum“, sagte das Kirchenoberhaupt am Sonntag in einem Gottesdienst.

Zugleich solle Russlands Führung Verantwortung für ihr Volk zeigen und diesem dienen. „Dann wird unser Volk echte Solidarität und die Fähigkeit haben, äußere und innere Feinde abzuwehren und unser Leben so zu gestalten, dass in diesem Leben so viel Gutes, Wahrheit und Liebe wie möglich gibt“, zitierte die Kirche auf ihrem Onlineportal weiter aus Kyrills Predigt.

Der Moskauer Patriarch ist ein enger Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertigte Kyrill I. Anfang März als „metaphysischen Kampf“ des Guten gegen das Böse aus dem Westen. Vor einer Woche forderte er die Soldatinnen und Soldaten bei einem Gottesdienst in der Hauptkirche der Streitkräfte auf, ihren Eid zu erfüllen. Sie sollten bereit sein, ihr Leben für ihre Nächsten zu geben, wie es die Bibel besage.

Kritik aus dem Ausland

Im Ausland werden viele der Äußerungen Kyrills zum Krieg scharf verurteilt. In Österreich etwa kritisierte am Wochenende der Theologe Paul Zulehner die Unterstützung der Russisch-orthodoxen Kirche für die Kreml-Politik als „evangeliumswidriges Handeln einer Kirchenleitung“. Es sei „tragisch“, dass die Kirche den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ im Namen Gottes rechtfertige, „besonders grausame Einheiten mit Ikonen segnet und im Krieg eine Art Kreuzzug gegen den dekadenten Westen deutet“, so der Theologe in seinem Blog.

In der Ukraine wiederhole sich der „kapitale Fehler, den die christlichen Konfessionen nach der Reformation im blutigen Dreißigjährigen Krieg gemacht haben: Sie haben ihre Hände mit dem Blut unzählbar vieler Unschuldiger in Europa befleckt“.

„Selbstbeschädigung“ der Russisch-orthodoxen Kirche

„Sobald die Wahrheit über diesen Krieg ans Licht kommt – und das hat sich in der Geschichte auf die Dauer nie verhindern lassen -, wird auch das ganze Ausmaß der massiven Selbstbeschädigung der Russisch-orthodoxen Kirche sichtbar werden“, so die Prognose des Religionssoziologen und Werteforschers. Deren Kirchenleitung erweise der Evangelisierung einer weithin durchatheisierten, nur nominell „orthodoxen“ Kultur einen „Bärendienst“.

Patriarch Kyrill wolle offenbar die autokephale Orthodoxe Kirche in der Ukraine vernichten, indem er sich an der Vernichtung der Ukraine als eigenem Staat und damit als mögliches kanonisches Territorium beteilige. Der Protest vieler orthodoxer Bischöfe und Gemeinden im Westen haben dem Patriarchen deshalb die Nennung im Hochgebet verweigert, was laut Zulehner einer Aufkündigung der Kircheneinheit gleichkommt.

„Das Dämonische hat sich breit gemacht“

Die Kriegshandlungen der russischen Truppen in der Ukraine kommentierte der Theologe mit den Worten: „Das Dämonische hat sich in der Welt breit gemacht.“ Es komme zu unvorstellbaren Kriegsverbrechen an Frauen, Kindern und Alten: „Die Bilder sind derart grausam, dass öffentlich-rechtliche Fernsehstationen sie nicht zeigen; aber sie kursieren in den Sozialen Medien.“