Geburtstag

Emeritierter Papst Benedikt XVI. wird 95

Mitten im Vatikan liegt ganz unscheinbar zwischen penibel gepflegten Grünanlagen und plätschernden Brunnen das Kloster Mater Ecclesiae. Dort wohnt seit fast neun Jahren zurückgezogen der emeritierte Papst Benedikt XVI., der am Samstag (16. April) 95 Jahre alt wird.

Es ist ein gut bewachtes Haus mit eigener Kapelle, toller Sicht auf den mächtigen Petersdom und abgeschirmt vom tosenden Stadtlärm Roms. Nach dem Aufruhr, den das Münchner Missbrauchsgutachten inklusive konkreter Vorwürfe gegen Ratzinger verursacht hatte, dringt nur sporadisch nach außen, wie es dem Papa emeritus in seinem Kloster geht.

Er tue sich schwer beim Sprechen, heißt es. Wie sein Privatsekretär Georg Gänswein oft sagt, sei Benedikt „stabil in der physischen Schwäche bei klarem, scharfem Verstand“. Fotos von Besuchern, die zuletzt in den sozialen Medien landeten, zeigten ihn sitzend in seinem weißen Gewand.

Keine Interviews

„Er muss sich mehr ausruhen“, erzählte Kurienerzbischof Gänswein in dieser Woche der italienischen Zeitschrift „Oggi“. Morgens um 7.30 Uhr feiere er die heilige Messe, danach höre er in seinem Sessel Musik. „Inzwischen macht er auch wieder seine gewohnten Spaziergänge in den Vatikanischen Gärten“, berichtete der Vertraute. Ein Interview mit dem Jubilar anlässlich seines Geburtstages war nicht möglich.

Benedikt XVI im Rollstuhl
APA/dpa/Sven Hoppe
Benedikt XVI. mit seinem Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein 2020

Derartige Anfragen wurden schon im Jänner dieses Jahres abgelehnt, als ein mediales Gewitter auf das kleine Idyll im Vatikan niederging. Laut einem anwaltlichen Gutachten im Auftrag der Erzdiözese München und Freising soll sich Ratzinger in seiner Zeit als Erzbischof in Bayern (1977 bis 1982) in mehreren Fällen von Missbrauch an Kindern durch Geistliche falsch verhalten haben.

Entschuldigung bei Missbrauchsopfern

„Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind“, schrieb er später Anfang Februar in einem Brief und bat alle Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung. Das war auch eine Reaktion auf den Vorwurf der Lüge in einer ersten Stellungnahme; Gänswein sprach von einem „Versehen in der redaktionellen Bearbeitung“.

Menschen, die Benedikt kennen, vermuten, dass er sich während des Gutachten-Rummels um seine Person als ungerecht dargestellt gefühlt hat. Was tatsächlich von all dem zu ihm in die vier Wände Mater Ecclesiaes vordrang, wissen nur wenige. Manche innerhalb der Vatikanmauern finden, dass bei all den Vorwürfen die eigentliche Arbeit Benedikts gegen den Missbrauch in der Kirche zu kurz kam.

Was bleibt?

„Er hat als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst mit der neuen Gesetzgebung und konkreten Prozessführung bewiesen, dass die Täter zu bestrafen sind und dass den Opfern solcher Untaten persönliche Zuwendung und Gerechtigkeit widerfahren muss“, sagt Kardinal Gerhard Ludwig Müller der Deutschen Presse-Agentur.

Was bleibt also nach dem großen Donnerwetter durch das Gutachten von Benedikts Werk, wenn er, wie er im Februar selbst schrieb, „das dunkle Tor des Todes“ einmal durchschritten hat?

Stimmen für gerechten Blick

Müller – einst Bischof von Regensburg und später wie Benedikt Präfekt der Glaubenskongregation, die sich unter anderem um Missbrauchsfälle in der Kirche kümmert – erinnert an das Institut Papst Benedikt XVI., um dessen Gründung er sich im Jahr 2007 als Bischof kümmerte. Die Einrichtung gibt die gesammelten Werke Joseph Ratzingers heraus und verwaltet damit sein theologisches Erbe sowie die Texte und Ansprachen seines Pontifikats. Das Ganze soll auch in anderen Sprachen verfügbar sein, „was den internationalen Rang seiner Bedeutung für Kirche und Theologie unterstreicht“, findet Müller.

Andere Benedikt-Kenner wünschen sich einen gerechten Blick auf das gesamte Lebenswerk des Oberbayers. Zwar seien die Missbrauchsfälle schlimm, man habe nicht an die Opfer gedacht und das dürfe nicht noch einmal passieren – man müsse aber auch in die Zukunft blicken. Wenn man auf Benedikts gesamtes Schaffen in der Kirche blicke, so die Wertung, dann schwinge das Pendel wieder in die Mitte zurück.

Das Kloster Mater Ecclesiae, wo der emeritierte Papst Benedikt XVI. lebt
APA/AFP/Filippo Monteforte
Seit seinem Rücktritt lebt Benedikt XVI. im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan

An Karsamstag geboren

Benedikt feiert in diesem Jahr am Karsamstag Geburtstag. An einem Karsamstag kam er 1927 auch zur Welt und wurde – so erzählte er später – noch am selben Tag mit dem Osterwasser getauft. 78 Jahre später stieg er auf den Stuhl Petri und krönte seine Kirchenkarriere als Oberhaupt der Katholiken. Die Nachricht über seinen Amtsverzicht 2013 ging um die Welt und sorgte für gigantisches Aufsehen. Einen derartigen freiwilligen Rücktritt eines seit Jahren amtierenden Papstes hatte es noch nie gegeben.

Besuch von Franziskus möglich

Die Tatsache, dass es seitdem mit Papst Franziskus und Papst emeritus Benedikt XVI. eigentlich zwei Päpste gibt, sorgte danach immer wieder für Spannungen in den politischen Lagern der Kirche. Ob und wie Franziskus seinen Vorgänger an dessen Geburtstag besuchen werde, das teilte der Heilige Stuhl auf Anfrage nicht mit. Gänswein sagte „Oggi“, dass man sich auf einen Besuch Franziskus’ vorbereite.

Das Nebeneinander zweier Päpste im kleinen Kirchenstaat ist für keinen der Akteure ideal. Manche Vatikan-Experten vermuten deshalb, dass Papst Franziskus – nach dem Tod Benedikts – das Gesetz ändern könnte, damit es zukünftig den Status „Papa Emeritus“ nicht mehr geben kann. Damit wäre Benedikt XVI. der erste und vorerst letzte emeritierte Pontifex als Bewohner des Klosters Mater Ecclesiae.