Feierlichkeiten im Vereinslokal der „frei-aleviten österreich“
ORF/Marcus Marschalek
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Aleviten

„Frei-Aleviten“ als Bekenntnisgemeinschaft anerkannt

13 Jahre lang hat ein Teil der österreichischen Alevitinnen und Aleviten um die Anerkennung als eigenständige Gemeinschaft gerungen. Nun wurden sie als eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft unter dem Namen „frei-aleviten österreich“ registriert.

Im Wiener Vereinslokal der „frei-aleviten österreich“ in der Simmeringer Hauptstraße herrscht eine ausgelassene Feierstimmung. Man musiziert gemeinsam, kocht, isst und bewegt sich rhythmisch im Kreis bei einem sogenannten Cem, dem traditionellen Glaubensritual der Aleviten. Grund zur Freude ist die Registrierung der „frei-aleviten österreich“ als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Seit 2009 bemühte sich der alevitische Verein um diese Anerkennung als unabhängige Glaubensgemeinschaft.

Cem
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Mitglieder der „frei-aleviten österreich“ bei einem sogenannt Cem, dem traditionellen Glaubensritual der Aleviten

“Es waren wirklich sehr harte 13 Jahre. Nachdem wir nun endlich den positiven Bescheid erhalten haben, war das eine so große Freude, dass mir sogar die Tränen gekommen sind", sagt Özgür Turak, Bundesvorsitzender der „frei-aleviten österreich“, im Gespräch mit religion.ORF.at. Es sei ein ständiges Auf und Ab gewesen, ergänzt Hatice Sahin Ilter, Bundesvorsitzender Stellvertreterin. 2019 wurde zunächst der Antrag beim Kultusamt in letzter Instanz abgelehnt, da die „frei-aleviten“ laut Verwaltungsgerichtshof zu sehr einer anderen, bereits als Religionsgesellschaft registrierten, alevitischen Gemeinschaft ähneln würden: der „Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“.

Hatice Sahin Ilter, Bundesvorsitzender Stellvertreterin der „frei-aleviten österreich“
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Hatice Sahin Ilter, Bundesvorsitzender Stellvertreterin der „frei-aleviten österreich“

Aleviten gegen Aleviten

Diese Strömung innerhalb der Aleviten versteht sich allerdings als Teil des Islam. Das wiederum ist eine Haltung, die die „frei-aleviten“ keineswegs teilen. Ihr Glaube sehe sich nicht in der islamischen Tradition, betonen die Vertreter und Vertreterinnen der neuen eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft, obwohl ihr Namensgeber Ali, ein Cousin des Propheten Mohammed war. Nicht ein Gott, sondern der Mensch stehe bei ihnen im Zentrum, so das Bekenntnis. Ihr Glaube diene ihnen vielmehr als Pfad, dessen Ziel die Vervollkommnung des Menschen sei. Eine Anerkennung im Rahmen des österreichischen Islamgesetzes käme daher keinesfalls in Frage.

Noch 2019 reichte der Verein eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. 2020 wurde ein neuer Antrag auf Registrierung beim Kultusamt in Österreich eingebracht, letztlich mit Erfolg: Am 13. April 2022 wurde dieser Antrag nun offiziell angenommen.

Büro der „frei-aleviten österreich“ in Wien Simmering
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Das Büro der „frei-aleviten österreich“ in Wien-Simmering.

„Da das Göttliche in allen Menschen lebt, sind auch alle Menschen gleichwertig. Unsere Lehre besagt, dass man jedem Menschen, jeder Religion und jeder Nationalität auf gleicher Augenhöhe begegnen soll“, erzählt Ilter. Dementsprechend sind Frauen und Männer bei den „frei-aleviten“ gleichgestellt und können alle Funktionen in der Glaubensgemeinschaft gleichwertig ausüben.

Mit der Anerkennung sieht man nun die eigene Religion in Österreich verwurzelt, betont das Vorstandsgremium der neuen Bekenntnisgemeinschaft einstimmig. Es sei nun einfacher, sich als „frei-aleviten“ in allen Bereichen der Gesellschaft einzubringen. Das nächste Ziel sei jedoch die Registrierung „eine Stufe höher“ – als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft.