Orthodoxe Ostern

Osterfest im Schatten des Krieges

Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, hat erneut eine sofortige Beendigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine gefordert.

Dieser „Bruderkrieg“ untergrabe wie jeder Krieg die Menschenwürde und verletze das Gebot der Nächstenliebe, sagte er in der Nacht zum Sonntag in Istanbul in seiner Messe zum orthodoxen Osterfest. Der Patriarch verlangte außerdem die Öffnung von Fluchtkorridoren für die eingeschlossenen Zivilistinnen und Zivilisten in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol.

Im vom Krieg weitgehend zerstörten Mariupol und in anderen Regionen der Ukraine spielten sich „unbeschreibliche menschliche Tragödien“ ab, so Bartholomaios I. nach Angaben des Patriarchats von Konstantinopel.

„Kräfte des Bösen werden nicht siegen“

„Wir wissen mit Sicherheit, dass die Kräfte des Bösen, der Gewalt und der Ungerechtigkeit, die die Menschheit weiterhin plagen, am Ende nicht siegen werden“. Weder Russland noch Kreml-Chef Wladimir Putin nannte er beim Namen.

Gläubige warten vor der St.-Alexander-Nevsky-Kirche in Mariupol mit Osterkörben auf einen orthodoxen Priester, Ostersonntag 24. April 2022
AP
Gläubige warten vor der St.-Alexander-Nevsky-Kirche in Mariupol mit Osterkörben auf einen orthodoxen Priester, Ostersonntag 24. April 2022

Keine Feuerpause zu Ostern

Die russischen Streitkräfte setzten ihre Angriffe in der Ukraine trotz internationaler Bitten um eine Waffenruhe auch am orthodoxen Osterfest fort. Es wurden erneut Dutzende Militärobjekte und zahlreiche Stellungen des ukrainischen Militärs beschossen, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, am Sonntag mitteilte. Bei Angriffen auf die Hafenstadt Odessa starben am Wochenende nach ukrainischen Angaben acht Menschen.

In fast der gesamten Ukraine konnten wegen der kriegsbedingten nächtlichen Ausgangssperre erst am Sonntagmorgen Ostergottesdienste gefeiert werden. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj bat in einer Videobotschaft zum Osterfest „Gott um große Gnade, damit unser großer Traum wahr wird; … der Tag, an dem großer Frieden in die Ukraine kommen wird. Und mit ihm ewige Harmonie und Wohlstand.“ An anderer Stelle sagte er: „Großer und einziger Gott, rette unsere Ukraine!“ Das Video wurde in der Kiewer Sophienkathedrale aufgezeichnet, der bedeutendsten Kirche der Stadt.

Ukrainische Soldatinnen mit Osterkorb, Frontlinie bei Saporischschja, Ukraine, orthodoxer Ostersonntag 24. April 2022
APA/AP/Andriy Dubchak
Ukrainische Soldatinnen mit Osterkorb, Frontlinie bei Saporischschja, Ukraine, orthodoxer Ostersonntag 24. April 2022

Ähnlich wie die Russisch-Orthodoxe Kirche in Russland positioniert sich auch die Orthodoxe Kirche der Ukraine parteipolitisch. Der orthodoxe Kiewer Metropolit Epiphanius verurteilte auf Twitter, dass dem russischen Militär nichts heilig sei und auch zu Ostern weiter Krieg führe. In Odessa seien am Samstag mehrere Zivilisten getötet und verletzt worden. Seine Osterglückwünsche verband er mit den Worten: „Mögen Ihre Herzen mit festem Vertrauen auf den Sieg des Guten und Wahren, auf den Sieg der Ukraine erfüllt sein.“

Osterei für Putin

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill gratulierte bereits kurz nach Mitternacht in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale den Gläubigen zum Osterfest. An der landesweit live im Fernsehen übertragenen Messe nahm auch Präsident Wladimir Putin teil. Er hielt eine rote Kerze in der Hand und bekreuzigte sich mehrmals.

Am Ende des Gottesdienstes übergaben einander Kyrill und Putin Geschenke. Das Kirchenoberhaupt erhielt vom Kreml-Chef ein verziertes Osterei. Kyrill sprach bei der Messe den Krieg nicht an. Das erste, was jeder Christ aus dem Osterfest ziehen sollte, sei „die absolute Gewissheit des endgültigen Sieges der Wahrheit“, denn dafür habe der Erlöser gelitten und sei auferstanden, sagte er. Das bedeute, dass alle Christen auf der Seite des Sieges stünden, egal, wie schwierig ihr Alltag sei.

„Heiliges Feuer“ in Jerusalem

Tausende orthodoxe Christen und Christinnen haben in Jerusalem die Zeremonie des „Heiligen Feuers“ gefeiert. In der Grabeskirche entzündete der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III. am Samstag in der Grabkapelle an dem „Heiligen Feuer“ Kerzenlicht und gab es an Gläubige weiter.

Anhängerinnen und Anhänger der östlichen orthodoxen Kirchen glauben, dass sich das Heilige Feuer am Grab Jesu auf wundersame Weise selbst entzündet und die Kraft der Auferstehung darstellt. Die Grabeskirche steht an jener Stelle, wo der christlichen Überlieferung nach Jesus begraben worden und wieder auferstanden sein soll.

Die Jerusalemer Kirche wurde während der traditionellen Zeremonie von einem Meer von Kerzen erhellt. Mit zehn Flugzeugen wurde das Feuer dann in Gemeinden in aller Welt gebracht, wie eine Sprecherin des israelischen Außenministeriums bestätigte. Zu den Zielorten gehörten den Angaben zufolge auch Russland und die Ukraine. Orthodoxe Christinnen und Christen feiern Ostern nach den katholischen und protestantischen.