Steiermark

Seligsprechungsverfahren für zwei Ordensfrauen

In der Diözese Graz-Seckau wurden dieser Tage die Seligsprechungsprozesse für zwei oststeirische Ordensfrauen gestartet: für Barbara Sicharter (1829–1905) und für Maria Krückl (1918–1945).

Sicharter hatte 1865 die „Kongregation der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis in Vorau“ gegründet, Krückl (1918–1945) lebte als Novizin in der Ordensgemeinschaft. Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl eröffnete die Verfahren am 4. Mai im Rahmen eines Gottesdienstes in der Kapelle der Vorauer Marienschwestern in Vorau.

Die österreichischen Bischöfe hatten der Einleitung der Verfahren zugestimmt. In seiner Predigt würdigte Krautwaschl das Lebenszeugnis der beiden Frauen und zeigte sich zuversichtlich, dass durch den Prozess „das Licht dieser beiden Frauen der Oststeiermark noch mehr aufstrahlen“ werde.

„Vorbildlich aus dem Glauben gelebt“

Bei der Seligsprechung oder Beatifikation stellt die katholische Kirche durch das Urteil des Papstes fest, dass eine verstorbene Person vorbildlich aus dem Glauben gelebt hat und Christus in besonderer Weise nachgefolgt ist. Daraus ergibt sich die offizielle Empfehlung, diesen Menschen als Vorbild und als Fürsprecher bei Gott anzunehmen.

Mit der Seligsprechung wird erlaubt, dass der oder die Seliggesprochene in einer bestimmten Region öffentlich verehrt werden darf. Der Seligsprechung geht ein umfangreiches kirchliches Untersuchungsverfahren („Seligsprechungsprozess“) voraus.

Während der Feier in Vorau erhielten alle am Verfahren Beteiligten nach Ablegung des Amtseides vor dem Bischof ihre Ernennungsdekrete. Der Gerichtsvikar der Diözese Graz-Seckau, Gerhard Hörting, wurde als bischöflicher Delegat, der Priester Markus Schöck als Promotor Justitiae und Anton Witwer SJ als Diözesanpostulator eingesetzt. Die Mitglieder der historischen Kommission sind der Vorauer Propst Bernhard Mayrhofer, Clara Maria Neubauer von den Marienschwestern, der Historiker Norbert Allmer und der Vorauer Stiftsarchivar Stefan Reiter. Weiters wurden auch drei Notare ernannt.

In der Diözese Graz-Seckau ist zudem ein weiteres Seligsprechungsverfahren im Gange: Am 28. März 2017 hat Bischof Krautwaschl das Verfahren für Schwester Maria Josepha Brandis eröffnet. Die Tochter eines Reichsgrafen hat 1841 die Grazer Provinz der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul gegründet. Unter ihrer Obhut entstanden 210 Niederlassungen in mehreren Ländern mit 2.700 Schwestern.

Bauerntochter als Ordensgründerin

Barbara Sicharter wurde 1829 in Wenigzell geboren. Im Mai 1865 begann sie im „Tonihäusl“ in Schachen bei Vorau mit drei Bauerntöchtern ein klösterliches Leben als Mitglied des Dritten Ordens des Heiligen Franziskus. Bald schlossen sich weitere Frauen aus der Nordoststeiermark an. Sie pflegten in ihrem Heim verlassene Kranke, leisteten Krankendienste in den Häusern und nahmen sich der Armen an. Wegen der Farbe ihrer einheitlichen Kleidung hießen sie im Volksmund bald die „Blauen Schwestern“.

Als das „Tonihäusl“ zu klein wurde, übersiedelten die Schwestern 1876 in das Stroblhaus außerhalb des Marktes Vorau. Dort wurde ihnen die behördliche Genehmigung zum Betrieb eines Krankenhauses erteilt. Mit Hilfe von Wohltätern konnte 1885 das Stroblhaus aufgestockt und durch Nebenbauten vergrößert werden. Seit 1897 waren die „Blauen Schwestern“ ein staatlich anerkannter Verein. Eine äußerliche Angleichung an das kirchliche Ordensleben brachte 1898 die Einführung des bis 1968 getragenen Ordenskleides. Die zunehmende Zahl der Schwestern und Pfleglinge machte 1902 einen Erweiterungsbau notwendig.

Die „Blauen Schwestern“

Am 9. Februar 1905 starb Barbara Sicharter. Unter ihrer Nachfolgerin Josefa Schweizer erhielten die „Blauen Schwestern“ 1928 als bischöfliche Kongregation die päpstliche Genehmigung. Seither heißen sie „Kongregation der Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis in Vorau“. Durch einen umfangreichen Erweiterungsbau erhielt Vorau 1932 ein modern eingerichtetes Krankenhaus, das mit diversen Umbauten bis heute auf den neuesten Stand der Medizin und Krankenpflege gebracht wurde.

Gegen Vergewaltigung gewehrt

Maria (Margareta) Krückl wuchs als viertes von insgesamt acht Kindern einer Bauernfamilie in Wenigzell in der Oststeiermark auf. Geboren 1918, trat sie 1944 als Novizin bei den Vorauer Schwestern ein und nahm den Ordensnamen Maria an. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs waren Vorau und Wenigzell Frontgebiet. Damals wurde den jungen Novizinnen nahegelegt, in ihr Elternhaus zurückzukehren, in der Hoffnung, dass sie dort vor der heranrückenden Roten Armee sicherer seien.

Noch am Tag ihrer Heimkehr ins Elternhaus (8. April 1945) kamen Soldaten der Roten Armee. Ein Soldat überraschte die junge Frau, als sie in den Stall ging, um das Vieh zu füttern. Sie widersetzte sich mit Vehemenz einer Vergewaltigung, es kam zum Kampf, und die mutige Frau wurde von dem Soldaten mit zwei Schüssen getötet. An ihr kurzes, aber schreckliches Martyrium erinnert noch heute die Grabsteininschrift an der Wenigzeller Friedhofmauer.

„Aufzubrechen, um bei Christus zu sein“

Barbara Sicharter habe in der Bitte einer kranken Frau um Aufnahme und Betreuung den Auftrag erkannt, den Armen, Kranken und Alten beizustehen, betonte Bischof Krautwaschl in seiner Predigt. Aus dieser Bitte sei etwas Bedeutsames gewachsen. Der Wunsch Sicharters, „aufzubrechen, um bei Christus zu sein“, habe sich mehrfach erfüllt, „in ihrem Sterben, auf das sie sich wohl vorbereitete, wie auch in ihrem Werk, das die Hinwendung zu Christus im Sakrament und in der gelebten Liebe zu denen, die Seine Zuwendung und damit auch Heilung nötig haben“.

In besonderer Weise würdigte Bischof Krautwaschl auch das Lebenszeugnis von Krückl, die „verzweifelt in den letzten Kriegstagen ihr eben erst angetretenes Leben aus den Evangelischen Räten vergeblich zu verteidigen suchte und mit ihrem Leben bezahlt hat“.

Bischof: „Leuchtendes Zeugnis“

Krautwaschl wörtlich: „Wie leuchtend doch ein solches Zeugnis für Menschen von heute sein kann: Der Glaube an Christus und ein Leben nach dem Evangelium ist eben alles andere als ‚üblich‘ und leicht – und das war es eigentlich nie. Es ist immer eines, das ein bewusstes ‚Ja‘ verlangt, das eben ‚Ihn‘ als den Herrn und Meister bekennt und dafür das eigene Leben gering achtet, weil ich es ohnedies schon ‚Ihm‘ anvertraut habe.“

Umfangreiches Untersuchungsverfahren

Der Seligsprechungsprozess beginnt mit einem umfangreichen kirchlichen Untersuchungsverfahren, das in einem ersten Schritt auf Diözesanebene geführt wird. Im Rahmen der Untersuchung wird das Leben des Verstorbenen sorgfältig geprüft. Dazu muss die jeweilige Ortskirche Informationen über Leben und Sterben der betreffenden Person sammeln und ein Wunder oder den Märtyrertod sowie Tugendhaftigkeit und den „Ruf der Heiligkeit“ nachweisen.

Nach Abschluss dieses diözesanen Seligsprechungsverfahrens werden die Akten der vatikanischen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen zugeleitet. Diese prüft in einem eigenen Verfahren die Echtheit der Dokumente und Zeugenaussagen und holt gegebenenfalls Gutachten über Wunder ein. Die Kongregation legt ihre Ergebnisse dem Papst vor, dem letztlich die Entscheidung für eine Seligsprechung obliegt. Der Seligsprechung kann eine Heiligsprechung folgen. Erst nach der positiven päpstlichen Entscheidung darf die betreffende Person offiziell weltweit verehrt werden.