Appell

Vatikan drängt auf Umsetzung von Regeln gegen Missbrauch

Der vatikanische Ermittler und Erzbischof von Malta, Charles Scicluna, fordert eine konsequente Umsetzung der 2019 von Papst Franziskus erlassenen Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch in allen katholischen Diözesen weltweit.

„Die Schaffung eines Büros zur Anzeige in jeder Diözese ist eine unverhandelbare Pflicht, die erfüllt werden muss. Das hängt nicht vom persönlichen Willen des einzelnen Bischofs ab“, betonte Scicluna in einem aktuellen Interview mit der französischen Zeitung „La Croix“.

Es gebe bisher zwar keine weltweite Übersicht, ihm sei aber bekannt, dass zahlreiche Diözesen die päpstliche Vorgabe umgesetzt hätten, Anzeigebüros für Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche einzurichten. Die Pandemie habe den Prozess in den vergangenen zwei Jahren jedoch verlangsamt, so Scicluna.

Fehlendes Problembewusstsein

Deshalb müssten die päpstlichen Nuntiaturen nun Druck machen und auf die Umsetzung der päpstlichen Bestimmungen drängen. Bei einigen Bischöfen fehle das Problembewusstsein. „Man darf nicht warten, bis man mit dem Missbrauchsproblem konfrontiert wird, bevor man ein Büro für die potenziellen Opfer einrichtet“, sagte der Erzbischof. Er räumte ein, dass das im Mai 2019 veröffentlichte Apostolische Schreiben „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) oftmals nicht in die einzelnen Landessprachen übersetzt vorliege.

Auch deshalb müssten die jeweiligen Papstbotschafter hier eine Vermittlerrolle einnehmen, um die vom Papst angeordneten Maßnahmen umzusetzen. In dem Motu proprio schreibt Franziskus unter anderem eine weltweite Meldepflicht von Missbrauchsfällen vor und regelt die Untersuchungen gegen vertuschende Bischöfe. Scicluna ist neben seinem Amt als maltesischer Erzbischof seit 2018 beigeordneter Sekretär der römischen Glaubenskongregation und dort mit der Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs beauftragt.

Missbrauchsfälle in Chile und Deutschland

In Chile gibt es indes weitere Missbrauchsvorwürfe gegen den prominenten Jesuiten Felipe Berrios. Wie die Zeitung La Nacion (Onlineausgabe) am Mittwoch berichtete, sollen zwei Zeugenaussagen die bisherigen Anschuldigungen bestätigen. Zudem hätten sich zwei weitere Frauen als mutmaßliche Opfer gemeldet, die zur Tatzeit 14 bzw. 17 Jahre alt gewesen sein sollen. Berrios wurde nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe vor einigen Wochen von seinem Orden bis zur Klärung des Sachverhalts suspendiert. Der 65-Jährige zählt zu den bekanntesten Jesuiten im Land. Er gründete zahlreiche soziale Nichtregierungsorganisationen in Chile; zudem arbeitete er unter anderem in Burundi und Kongo.

Auch in Deutschland ist die römisch-katholische Kirche, konkret das Bistum Essen, mit einem Missbrauchsfall konfrontiert. Das Bistum suspendierte einen Priester wegen des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs. Der Mann werde beschuldigt, vor über 30 Jahren sexuelle Handlungen an einem Jugendlichen vorgenommen zu haben, teilte das Bistum am Donnerstag mit.

Verfahren wegen Verjährung eingestellt

Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten war zuvor wegen Verjährung eingestellt worden. Daraufhin habe sich das Opfer an die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Essen gewandt, sagte ein Bistumssprecher.

Der Beschuldigte sei daraufhin mit den Vorwürfen konfrontiert worden und habe die Tat eingeräumt. Im Anschluss daran sei er unmittelbar vom Dienst suspendiert worden. Bischof Franz-Josef Overbeck habe eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet.