„Nummer zwei“

Russisch-orthodoxer Außenamtschef überraschend abberufen

Die russisch-orthodoxe Kirche hat überraschend den Leiter ihres Außenamtes, Metropolit Hilarion (55), abberufen. Das Leitungsgremium, der vom Moskauer Patriarchen Kyrill geleitete Heilige Synod, ernannte am Dienstag Antonij (Sevrjuk, 37) zu seinem Nachfolger.

Antonij ist Metropolit von Korsun und Westeuropa. Er steht vorerst weiter dem westeuropäischen Exarchat mit Sitz in Paris vor. Hilarion hatte im März 2009 die Leitung des wichtigen Außenamtes von Kyrill übernommen, nachdem dieser zwei Monate zuvor zum Patriarchen gewählt worden war.

Er galt als die „Nummer zwei“ der russisch-orthodoxen Kirche und prägte ihre Beziehungen zu den anderen orthodoxen Kirchen und den ökumenischen Dialog mit der katholischen Kirche und anderen Konfessionen. Der Heilige Synod ernannte Hilarion zum neuen Metropoliten der Diözese (Eparchie) Budapest und Ungarn.

Metropolit Hilarion
APA/AFP/Vasily Maximov
Metropolit Hilarion galt als „Nummer zwei“ der russisch-orthodoxen Kirche

Neuer Außenamtschef früher Sekretär Kyrills

Der neue Außenamtschef Antonij war einst persönlicher Sekretär von Patriarch Kyrill. Er gilt seit 2004 als einer seiner engsten Vertrauten. Erzbischof Antonij war zudem von Anfang 2018 bis Mitte 2019 russisch-orthodoxer Bischof von Österreich.

ORF-Interview: „Welt wird zu Pulverfass“

Erst vor Kurzem hatte Hilarion dem ORF ein Exklusivinterview gegeben. In der „kreuz und quer“-Doku „Ukraine: Kirchenstreit und Bruderkrieg“, die am 24. Mai in ORF2 ausgestrahlt wurde, sagte Hilarion unter anderem zur aktuellen Lage, es gebe jetzt „zwei Informationsräume. Die eine Version der Ereignisse hören wir in Russland, eine völlig andere Version hören die Menschen im Westen.“

Sendungshinweis

„Ukraine: Kirchenstreit und Bruderkrieg“, "kreuz und quer“, 24. Mai 2022, ORF2.

„Ich glaube, die beiden Seiten des Konflikts müssen eine Möglichkeit finden, einander zu hören“, so der abberufene Leiter ihres Außenamtes, der von 2003 bis 2009 Bischof in Österreich war, weiter. „Wenn sie einander nicht hören – und das ist derzeit der Fall -, dann wird sich der Konflikt nicht nur vertiefen, sondern er kann zu einem globalen Konflikt werden. Denn unsere Welt hat sich in ein Pulverfass verwandelt.“