Der leere Petersplatz im Vatikan
APA/AFP/Tiziana Fabi
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Archiv Pius XII.

Vatikan stellt Bittbriefe von Juden aus NS-Zeit online

Der Vatikan geht einen weiteren Schritt in der Aufarbeitung der NS-Zeit. Ab Ende Juni wird eine Reihe mit 170 Bänden zum Pontifikat von Pius XII. (1939-1958) online gestellt, wie der Vatikan am Donnerstag mitteilte. Dabei geht es vor allem um rund 2.700 Fälle von Hilfsanfragen jüdischer Personen an den Vatikan während des Zweiten Weltkriegs.

Neben einer fotografischen Reproduktion der Dokumente wird es auch eine Liste der Hilfeempfänger geben. Zunächst sollen 70 Prozent des Materials online gestellt werden. Es sei ein „wertvolles Erbe“, das auf Wunsch von Papst Franziskus nun der ganzen Welt leicht zugänglich gemacht werde, schreibt der vatikanische Außenbeauftragte, Erzbischof Paul Gallagher, im „Osservatore Romano“.

Konkret handelt es sich um die jüdische Reihe des Historischen Archivs des Staatssekretariats und Teile der Sammlung „Außerordentliche Kirchliche Angelegenheiten“. Ein Teil der Sammlung, der Zeitraum 1939-1948, ist bereits seit Frühjahr 2020 im Lesesaal des Historischen Archivs für Wissenschaftler zugänglich.

„Erschütternde Zeugnisse der Verfolgung“

Forscher der Universität Münster beschäftigen sich bereits mit Tausenden Bittschriften von Juden aus Europa an Papst Pius XII. während der NS-Zeit. Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), das Auswärtige Amt und die Bayer AG fördern das Projekt „Asking the Pope for Help“ mit rund zwei Millionen Euro. Die von einem Historiker-Team unter Leitung des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf entdeckten Dokumente stammen aus den Archivbereichen zu Pius XII. (1939-1958).

Im vergangenen Jahr bezeichnete Wolf die Dokumente als „erschütternde Zeugnisse der Verfolgung“. Damals zeigte eine erste Analyse der Quellen, dass der Heilige Stuhl wann immer möglich auf Hilferufe reagiert habe, etwa mit Geld, Essen oder einem Visum. Das Bild von Papst Pius XII. müsse sicher vielschichtiger gezeichnet werden, „als es derzeit oft geschieht“, schrieb Wolf in einem Artikel.