Jüdisches Museum Wien
APA/Herbert Neubauer
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Kultur

Jüdisches Museum: Neue Chefin spürt „keinen Gegenwind“

Seit Anfang Juli ist Barbara Staudinger Direktorin des Jüdischen Museums Wiens. Sie werde daher oft nach ihrer Religion gefragt. Für ihre Arbeit spiele es aber „keine Rolle“, dass sie keine Jüdin ist. Den Appell einiger Prominenter im Vorjahr, einen Wechsel an der Spitze des Museums zu unterlassen, sieht sie entspannt: „Ich spüre keinen Gegenwind.“

Dass der Vertrag von Danielle Spera als Direktorin des Jüdischen Museums womöglich nicht verlängert werden soll, hatte 2021 mehrere prominente Persönlichkeiten auf den Plan gerufen. In einem Offenen Brief sprachen sie sich während der Hearingsphase für Spera und gegen eine Neubesetzung aus. Darunter waren Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, die damalige Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler sowie der Künstler Andre Heller.

„Ich bin kein Mensch, der sich nach hinten orientiert, sondern nach vorne schaut. Ich wurde von allen Menschen, die zu mir gekommen sind, warmherzig aufgenommen“, sagt Staudinger im Gespräch mit dem Ö1-Religionsmagazin „Praxis“ am Mittwoch. Sie habe große Freude gespürt, „eine große Lust auf Veränderung“.

Sendungshinweis

Barbara Staudinger im Interview mit dem Religionsmagazin „Praxis“, 20.07.2022, 16.05 Uhr in Ö1.

„Spera hat vieles sehr gut gemacht“

Staudinger: „Das heißt nicht, dass es meine Vorgängerin schlecht gemacht hat. Im Gegenteil, sie hat vieles sehr gut gemacht. Aber Kultur lebt von Veränderung.“ Und diese Freude an Veränderung hätten ihr viele Menschen vermittelt. „Mir hat das sehr viel Kraft gegeben.“

Natürlich gebe es Menschen, die sich sagen: „Never change a winning team“, doch man könne bei Entwicklungen in der Stadt oft erleben, „dass Projekte, die zuerst vielleicht auf Ablehnung gestoßen sind, dann nachher umso mehr geliebt werden“, sagt die neue Direktorin des Jüdischen Museums.

Barbara Staudinger übernimmt ab Juli 2022 die Direktion des Jüdischen Museum Wien
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Barbara Staudinger leitet seit Anfang Juli das Jüdische Museum Wien

„Was, wenn ich jüdisch wäre?“

Die studierte Historikerin, Theaterwissenschaftlerin und Judaistin werde „öfter gefragt“, ob sie jüdisch sei, was sie dann verneine, erzählt sie. „Ich antworte dann manchmal mit einer Gegenfrage: ‚Was es meiner Arbeit hinzufügen würde, wenn ich religiös wäre? Wenn ich jüdisch wäre? Was wäre dann anders? Was würde ich dann anders machen?‘“, so Staudinger im Interview mit Ö1.

„Ich stelle ja nicht mich selbst aus. Ich glaube, ich habe gezeigt, durch meine Studien, durch meine Forschung, dass ich weiß, wovon ich rede. Es ist nicht so, dass ich in ein Museum komme und einem Museum vorstehe, wo ich keine Ahnung habe, was da drinnen ist.“ Staudinger war etwa Kuratorin am Jüdischen Museum München und unter anderem Teil des Teams zur Neugestaltung der österreichischen Ausstellung im Museum Auschwitz-Birkenau. Ab 2018 stand sie dem Jüdischen Museum Augsburg vor.

„Andere Minderheiten“ erreichen

Staudinger hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Zielgruppen zu erreichen – „die Wiener Stadtgesellschaft in all ihrer Diversität“, sagt die Direktorin des Jüdischen Museums. „Ich glaube, ich habe in Augsburg gezeigt, wie man mit Performances, mit Aktionen, mit Interventionen in anderen Museen, mit vielen, vielen Kooperationen hinaus in den Stadtraum wirken kann. Und ganz wichtig, wie man auch in jene Bezirke wirken kann, in denen Menschen wohnen, die vielleicht nicht zum Kernpublikum des Jüdischen Museums gehören.“

Staudinger betont die Wichtigkeit, dass auch „andere Minderheiten in der Stadt durch Fragestellungen des Jüdischen Museums angesprochen werden“. Es seien schließlich Fragen, die auch andere als jüdische Minderheiten betreffen. „Auf diese Gruppen will ich mich speziell fokussieren, auf jüngere Besuchergruppen, die bis jetzt nicht ins Jüdische Museum gegangen sind. Da denke ich, hat das Jüdische Museum noch einiges aufzuholen.“

Rezepte gegen Krise der Museen

Museen schlitterten in eine Krise oder befänden sich laut Staudinger darin, weil sich Menschen zunehmend fragen: „Was hat das mit mir zu tun?“ Es sei wichtig, aktuelle Fragestellungen aufzugreifen, „Fragen und Probleme, mit denen wir alle konfrontiert sind“. Das sei die Aufgabe jedes Museums, und die Aufgabe des Jüdischen Museums sei es, diese aktuellen Fragen aus jüdischer Perspektive aufzugreifen und zu diskutieren.

Im Museum will Staudinger nicht zuletzt auch stark auf digitale Formate setzen. Eine digitale Sammlung, die auch online zugänglich ist und nicht nur als Recherchetool oder Archiv dient, sei „ein wirkliches Kernstück mittlerweile von jedem Museum“. Entwickelt werden sollen auch spannende Onlineausstellungen, „die nicht das, was im Haus zu sehen ist, abbilden, sondern in ganz eigenen Formaten ganz eigene Geschichten vermitteln. Das ist mir sehr wichtig.“