„Bei vielen Anrufenden in Wien vermuten wir einen sozial-schwachen Hintergrund“, erklärte Keßelring. Wenn Freizeitangebote jenseits des Spazierengehens Geld kosten und auf Urlaub fahren für viele Anrufende ohnehin nicht leistbar sei, bleibe nicht mehr viel übrig. Neun Wochen Ferien mit Kindern zu Hause zu verbringen, könne anstrengend sein und zu Überlastungen führen. Das sei ein Thema, „über das noch viel zu wenig gesprochen wird“.
In Hinblick auf Zukunftsaussichten sei es hilfreich, das Gespräch zwischendurch immer wieder in die Gegenwart zu holen, so ein Tipp von Keßelring. „Eine Frage könnte lauten: Was hilft mir, damit es mir jetzt besser geht und damit die Situation heute besser wird?“
Momentane Situation verbessern
Es helfe, wenn man in Bewegung komme, dann würden sich die Gedanken nicht so sehr im Kreis drehen, rät die Expertin. Eine Möglichkeit, in Bewegung zu kommen, seien ein paar Schritte vor die Türe zu machen.
Ziel jeden Gesprächs sei es, zuerst einen „Wohlfühlraum“ zu eröffnen, so Keßelring. „Zuhören, wahrnehmen, und den Menschen wertschätzen. Es ist wichtig, zuerst die Beziehung aufzubauen.“ Erst dann könne man Tipps geben, die auch ankommen, so die Leiterin der Telefonseelsorge und Abteilungsleiterin für Krisenseelsorge der Erzdiözese Wien.
Hotline-Nummer 142
Etwa ein Drittel der Menschen ruft bei der Telefonseelsorge an, weil sie einsam sind und um zumindest einmal am Tag mit einem Menschen zu sprechen. Andere rufen an, wenn ihre Gesprächspartnerin oder ihr Gesprächspartner nicht da ist und sie in einer akuten Krise stecken.
Rund 130 Telefonanrufe pro Tag gehen bei der Telefonseelsorge der Erzdiözese Wien ein. 413.848 Anrufe wurden im Jahr 2021 österreichweit entgegengenommen. Wobei ein Gespräch durchschnittlich 15 bis 20 Minuten dauert.
Die Telefonseelsorge ist österreichweit mit ehrenamtlich Mitarbeitenden unter der Hotline 142 rund um die Uhr sowie per Mail- oder Chat-Beratung (von 16.00 bis 22.00 Uhr) erreichbar.