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Litauen: Orthodoxe wollen mehr Unabhängigkeit von Moskau

Die litauische Diözese der russischen orthodoxen Kirche strebt eine größere Unabhängigkeit von der zentralen Verwaltung des Moskauer Patriarchats an. Der Patriarch soll aber weiterhin als kanonische Autorität respektiert werden.

Bischof Amvrosij Fedukovic von Trakaj, Vikarbischof der litauischen Diözese sagte, dass sich dadurch „unsere Aktivitäten nicht ändern würden“. Der Bischof äußerte sich diesbezüglich im Interview mit der litauischen Nachrichtenseite LRT, wie der Fachdienst „Ökumenische Information“ der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur berichtete.

Eine größere Unabhängigkeit würde auch nicht automatisch ein Ausscheiden aus dem Moskauer Patriarchat bedeuten. Vielmehr werde „die Beziehung kanonisch bleiben. Nur kanonisch. Nicht administrativ, nicht als eine Art Unterordnung.“ Das bedeute, „dass wir durch diese kanonische eucharistische Beziehung (mit dem Moskauer Patriarchat) mit der gesamten Orthodoxen Kirche verbunden sein werden“.

„Patriarchen kommen und gehen“

Die litauische Kirche werde daher auch weiterhin des Patriarchen gedenken, was in erster Linie ein Gebet für ihn sei. Aber das bedeute nicht, dass die Gläubigen mit seinen Aussagen einverstanden seien, fügte Amvrosij hinzu. „Patriarchen kommen und gehen, aber die orthodoxe Kirche bleibt.“

Schon jetzt gibt es nach Angaben des Bischofs Orte in Litauen, an denen die Gottesdienste auf Ukrainisch, Weißrussisch, Georgisch und Griechisch gefeiert werden und mit dem Segen des Erzbischofs von Litauen, Metropolit Innokentij Vasiljev, des Namens von Patriarch Kyrill nicht gedacht werde.

Kritik an staatlicher Einmischung

Als unzulässige staatliche Einmischung wertete der Bischof die Einladung der litauischen Regierung an das Patriarchat von Konstantinopel, auch in Litauen – wie schon vor über zwei Jahrzehnten im benachbarten Estland – eine eigene von ihm abhängige Jurisdiktion zu errichten. Nur 50 von rund 150.000 Kirchenmitgliedern hätten öffentlich den Wunsch geäußert, nach Konstantinopel zu wechseln.

Die große Mehrheit jener 4,1 Prozent der litauischen Bevölkerung, die orthodox sind, gehört zur ethnischen russischen Minderheit. Nicht stichhaltig sei auch die Position von inzwischen des Amtes enthobenen Geistlichen, die die Jurisdiktion wechseln wollten, meinte Amvrosij.

Metropolit verurteilt Krieg

Das „Oberhaupt unserer Priester“ sei Metropolit Innokentij, und dieser habe den Krieg in der Ukraine verurteilt. Mehrfach habe Innokentij ausdrücklich kundgemacht, dass er mit der Haltung des Moskauer Patriarchen nicht einverstanden sei.

Während eines Treffens mit Patriarch Kyrill in Moskau habe auch er selbst, so Amvrosij, diesem unlängst klar gesagt, dass „einige seiner Äußerungen in Litauen zweideutig interpretiert werden, und dass dies verständlich ist“. Der Patriarch habe geantwortet, „dass er den Krieg in seinen Äußerungen nicht offen unterstützt hat“, sagte Amvrosij. Auf die Frage, wie dann das Verhalten des Patriarchen zu bewerten sei, antwortet der Bischof: „Es ist schwierig für mich sein Verhalten zu beurteilen, weil ich nicht sein Kleriker bin. Ich denke, dies ist eine Frage von Kyrills Reue.“

Ersuchen nach Eigenständigkeit wird geprüft

Amvrosij ging in dem Interview auch auf die Frage ein, ob Litauen zur „Russischen Welt“ („Russki Mir“) gehöre. Dazu erklärte er, dass das Konzept der „Russischen Welt“ zwar gemeinhin als politisches gesehen und als solches akzeptiert werde, es aber in Wirklichkeit „ein umfassenderes kulturelles, religiöses und spirituelles Konzept“ sei: „Wenn wir darüber sprechen, beziehen wir uns auf eine spirituelle Tradition, die auch mit unserer Kirche verbunden ist“, sagte er. „Dieses Konzept ist sicherlich nicht politisch. Es ist ein gewisser Ausdruck der Zivilisation.“

Bisher hat die litauische orthodoxe Kirche den kanonischen Status einer Diözese der russischen orthodoxen Kirche. Der Status einer eigenständigen Kirche wird durch einen Beschluss des Bischofskonzils durch einen patriarchalen Tomos (Zustimmungsdekret) verliehen. An dieses hat sie sich mit dem Anliegen nach mehr Selbstständigkeit gewandt, was vom Heiligen Synod des Moskauer Patriarchats auch entgegengenommen wurde. Bei seiner Sitzung im Mai setzte dieser eine Kommission ein, die das Ersuchen prüfen soll.

Status der Ukrainisch orthodoxen Kirche unklar

Einen weitgehenden Status der inneren Selbstverwaltung haben bereits mehrere Teilkirchen des Patriarchats, so außer den autonomen Kirchen von Japan (seit 1971) und Estland (seit 1995) die russische orthodoxe Kirche im Ausland (seit 2007) und seit zwei Jahren auch die Erzdiözese der Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa (mit dem Zentrum in Paris).

Nicht klar ist derzeit der Status der Ukrainischen Orthodoxen Kirche unter Metropolit Onufrij (Berezowskij), nachdem sie Ende Mai einseitig ihre Unabhängigkeit proklamiert hatte, ohne aber genau zu bestimmen, inwieweit diese nun über die 1992 gewährte Selbstverwaltung hinausgehen soll.