Deutschland

Synodaler Weg: Grundsatzpapier gescheitert

Mit einem Paukenschlag hat die Arbeit bei der vierten Vollversammlung des Reformdialogs Synodaler Weg der katholischen Kirche in Deutschland begonnen. Bei dem Treffen scheiterte am Donnerstagabend gleich der erste grundlegende Text zur katholischen Sexualmoral.

Während die erforderliche Zweidrittelmehrheit aller anwesenden 209 Synodalen erreicht wurde, erhielt das Papier bei den Bischöfen keine Zweidrittelmehrheit, lediglich 61 Prozent von ihnen votierten dafür. 33 Bischöfe stimmten für den Text, 21 dagegen, drei enthielten sich. Vorangegangen war eine lebhafte, teils kontroverse Debatte, in der einige Bischöfe die Forderungen als einen Bruch mit der kirchlichen Lehre und dem christlichen Menschenbild bezeichnet hatten.

Der 30 Seiten umfassende Text sah Reformbedarf unter anderem bei der Frage der Verhütung. In der christlichen Ehe müsse nicht bei jedem Geschlechtsverkehr die Offenheit für Nachwuchs „biologisch realisiert“ werden.

Absage an Konversionstherapien

Betont wird, dass sich homosexuelle Partnerschaften sowie wiederverheiratete Geschiedene „unter dem ausdrücklich von der Kirche zugesprochenen Segen Gottes gestellt sehen können“. Überdies sei die Anerkennung der Gleichwertigkeit und Legitimität nicht-heterosexueller Orientierungen „dringend geboten“. Das Papier erteilt sogenannten Konversionstherapien für Homosexuelle eine deutliche Absage. Ferner setzt es sich mit der Situation nicht-binärer Menschen auseinander.

Überdies formuliert der Text eine Vergebungsbitte: „Alle Menschen, die unter den Auswirkungen kirchlicher Sexuallehre gelitten haben, bitten wir von Herzen um Vergebung.“ Verbunden damit ist die Selbstverpflichtung, „für eine Veränderung der Lehre und der Praxis der Kirche im Umgang mit menschlicher Sexualität Sorge zu tragen“. Der Text sieht an mehreren Stellen eine Neuakzentuierung der katholischen Sexuallehre vor und geht dabei über die bestehenden Lehren der Kirche hinaus.

Spontane Protestkundgebung

Nach dem Scheitern kam es im Versammlungssaal zu einer spontanen Protestkundgebung. Teilnehmer riefen: „Wo sind die Hirten?“ und „Soviel zum Thema Macht und Gewaltenteilung.“ Einzelne Synodale verließen die Versammlung. Der Synodalpräsident und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sprach von einer „krisenhaften Situation“.

Zugleich wies er darauf hin, dass das Ergebnis gemäß dem Statut zustandegekommen sei. Gleichwohl zeigte er sich enttäuscht über das Abstimmungsverhalten seiner Mitbrüder: „Das Abstimmungsergebnis ist ein Ergebnis der deutschen Bischöfe.“ Er rief die Synodalen auf, zusammenzubleiben und weiterzumachen.

Teils tiefe Enttäuschung

Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, zeigte sich tief enttäuscht von dem Ergebnis. Wenn sich dies beim Grundtext zur Rolle der Frauen in der Kirche wiederholen würde, stünde man „vor einem Scherbenhaufen“. In einer hochemotionalen Aussprache brachten im Anschluss zahlreiche Delegierte ihre Enttäuschung über das Ergebnis zum Ausdruck, darunter eine Reihe Bischöfe.

Innerkirchliche Konfliktlinien waren bereits zuvor sichtbar geworden. So diskutierte die Vollversammlung über Äußerungen von Stetter-Karp zu Schwangerschaftsabbrüchen. Vor der Synodalversammlung erklärte die ZdK-Präsidentin, sie setze sich für den Lebensschutz und für den Abtreibungs-Paragraphen 218 im deutschen Strafgesetzbuch ein.

Dieser stelle einen mühsam gewonnenen Kompromiss dar, der nicht aufgegeben werden solle. Sie betonte, kein Arzt dürfe gegen sein Gewissen zur Durchführung einer Abtreibung gezwungen werden. Aber es müsse auch dafür gesorgt werden, dass Schwangeschafts-Konfliktberatungen ergebnisoffen geführt werden könnten. Mehrere Synodale bekundeten ihre Solidarität mit Stetter-Karp, andere kritisierten sie.

Reformprojekt 2019 gestartet

Zuvor hatte Bischof Bätzing eingeräumt, dass es zwischen dem Präsidium des deutschen „Synodalen Wegs“ und dem Sekretariat der Weltbischofssynode keinen offiziellen Gesprächskanal gebe. Er bedauere das sehr, sagte Bätzing. Zugleich versicherte er, dass er mit dem Sekretär der Weltbischofssynode, Kardinal Mario Grech, und mit dem Synoden-Generalrelator, Kardinal Jean-Claude Hollerich, in einem „guten Austausch“ stehe.

Das Reformprojekt deutsche „Synodaler Weg“ wurde 2019 gestartet als Reaktion auf den Missbrauchsskandal und die enorme Vertrauenskrise. Die Debatten um den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki und neue Enthüllungen über den Umgang mit Missbrauch haben die Krise eher noch verschärft. Zugleich kommt aus dem Vatikan immer wieder die Warnung, die Kirche in Deutschland dürfe keine Sonderwege gehen. Viele der angepeilten Reformen wären nur in Abstimmung mit der gesamten Weltkirche umsetzbar.