Gedenken

Theologen: Synodalen Prozess im Geist des Konzils weiterführen

Zum 60. Jahrestag des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils am Diebstag appellieren der Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück und die Pastoraltheologin Regina Polak, den Synodalen Prozess als Chance zu begreifen, die Kirche im Geist des Konzils in die Zukunft zu führen.

Der Streit um die authentische Interpretation des Konzils und der Streit um den Synodalen Prozess seien letztlich ähnlich gelagerte Konflikte. Ein „Zurück hinter das Konzil“ sei jedenfalls nicht möglich, konstatierte Tück im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ (Sonntag-Ausgabe), und Polak stellte in einem Blog-Beitrag auf Theocare.network fest, dass es im Sinne des Konzils wäre, Diskursräume zu schaffen, um eine innerkirchliche Streitkultur zu entwickeln.

„Der Streit um die Zukunft der Kirche ist ein Streit um die Interpretation des Konzils“, führte Tück im „Sonntag“-Interview aus. Wichtig in diesem Richtungsstreit erscheine ihm darauf hinzuweisen, dass die „authentische Interpretation des Konzils“ letztlich dem Lehramt – also Papst und Bischöfen – zukomme; „aber nicht isoliert, sondern so, dass sie den Glaubenssinn der Gläubigen und die Kompetenz der Theologie aufnehmen“.

Revolution „keine Kategorie der Kirchenreform“

Der Synodale Prozess sei ein Instrument, um entsprechend „die richtigen Wegmarkierungen für die Kirche der Zukunft zu finden“. Revolution, so Tück ergänzend, sei jedenfalls „keine Kategorie der Kirchenreform“ – ebenso wenig wie eine „chamäleonhafte Anpassung an gesellschaftliche Trends“.

Ungehobene Potenziale ortete der Wiener Dogmatiker u. a. im Bereich der Liturgie oder dem „gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen“. Während dieses Priestertum aller in der aktuellen Diskussion vor allem als Argument für mehr Laien-Partizipation verstanden werde, gehe es dabei doch vorrangig um die Ausbildung einer „mündigen und zeitgemäßen Laien-Spiritualität“ angesichts der modernen Lebenswelten. Dies komme ihm heute oft zu kurz.

Nicht durch das Konzil gedeckt sei im Übrigen seines Erachtens die Idee, die der Synodale Weg in Deutschland verfolgt, die Letztverantwortung für die Kirche einem nationalen, paritätisch besetzten Synodalen Rat zu übertragen. „Von alters her leiten Bischöfe die Ortskirchen – sakramental ordinierte Personen – und eben nicht Gremien.“ Stattdessen wäre ein „synodal abgestützter episkopaler Leitungsstil“ das „Gebot der Stunde“, so Tück.

Polak für institutionalisierte Diskursräume

Auf weitere Verbindungen zwischen Konzil und Synodalem Prozess verwies indes die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak in dem aktuellen Blogbeitrag.

Um einer weiteren Erosion der Religiosität und einer zeitgleichen „Musealisierung“ des Konzils entgegenzuwirken und vor allem, um bei den dringenden Fragen nach angemessenen Antworten auf die „Zeichen der Zeit“ nicht sprachlos dazustehen, sollte die Kirche den laufenden Synodalen Prozess nutzen und institutionalisierte Gesprächsformen auf Dauer stellen, um nicht nur Erfahrungen auszutauschen, sondern auch um „unausgelittene Konflikte“ bis zurück zur Konzilsrezeption weiterzuführen.

Konzilstexte teils widersprüchlich

Schließlich seien die Konzilstexte nicht nur „konträr“, sondern „mitunter kontradiktorisch“ und verlangten nach einem permanenten „produktiven Streit“. Dabei zeige der Synodale Prozess auf, dass dieser Diskurs über die Zeichen der Zeit nicht ein elitärer sein dürfe, sondern alle Christen gleichermaßen betreffe.

„Alle, die wir um das richtige Verständnis und die zeitgerechte Umsetzung des Konzils streiten, müssten sich demnach fragen: Fördern wir damit Glaube, Hoffnung und Liebe sowie die Ankunft des Reiches Gottes?“ Zu widerstehen gelte es dabei zudem allen Tendenzen einer Verklärung der Vergangenheit und der autoritären politischen Versuchung, so Polak.

Das gelte auch innerkirchlich, insofern auch dort „Restaurationstendenzen“ spürbar seien. „Erst wenn diese Quellen ausgetrocknet werden, kann der Blick für eine wahrhafte Erneuerung freiwerden, die die Reinterpretation der Tradition im Licht der Gegenwart zum Ziel hat.“