Mechaye Hametim

Interreligiöse Gedenktage für jüdische Opfer

Zum Gedenken an die jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome im Jahr 1938 veranstalten christliche und jüdische Organisationen zusammen die „Bedenktage“-Reihe Mechaye Hametim (aus dem Hebräischen übersetzt: „Der die Toten auferweckt“).

Mit Auftakt am Sonntag werden zahlreiche Veranstaltungen bis zum 12. November in Wien und Niederösterreich angeboten. Im Zentrum steht auch heuer wieder ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche.

Der lutherische Superintendent Matthias Geist wird am 9. November, um 19.00 Uhr, vor hochrangigen Vertretern der katholischen und der orthodoxen Kirche Worte des Gedenkens sprechen. Anschließend ist ein Schweigegang zum Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoah auf dem Judenplatz vorgesehen.

Zerstörung jüdischen Lebens in der „Reichspogromnacht“

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im ganzen Deutschen Reich, also auch in Österreich, die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet. Allein in Wien wurden im Zuge des Terrors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört.

6.547 Wiener Jüdinnen und Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Die Nationalsozialisten gaben diesem Tag den euphemistischen Ausdruck „Reichskristallnacht“. Mit dem Novemberpogrom radikalisierten sie die Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung.

„Jüdisches Leben in der Buckligen Welt“

Die Veranstaltungsreihe bietet rund um den 84. Jahrestag der Pogrome ein vielseitiges Programm mit kulturellen, interreligiösen und historischen Akzenten.

Der Veranstaltungsreigen beginnt am Sonntag mit einer Exkursion, die ausgehend von Wien „Jüdisches Leben in der Buckligen Welt“ beleuchtet. Werner Sulzgruber, Historiker und Mitherausgeber des Buchs „Eine versunkene Welt – jüdisches Leben in der Buckligen Welt und im Wechselgebiet“ (2019), wird mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen Orte in Niederösterreich besuchen, wo den Spuren vertriebener Juden und Jüdinnen nachgegangen wird.

Kulturelle Memorials

Kulturelles unterschiedlicher Gattungen steht an drei Abenden vor dem zentralen ökumenischen Gottesdienst im Mittelpunkt: Am Montag, den 24. Oktober, ist um 19.00 Uhr im Wiener Otto-Mauer-Zentrum das Ein-Personen-Stück „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ des Schweizer Schriftstellers Charles Lewinsky zu sehen.

Am Montag, den 7. November, um 19.30 Uhr, wird im Wiener Votivkino der israelische Dokumentarfilm „Der Anständige“ (2014) gezeigt. Die israelische Dokumentarfilmerin Vanessa Lapa habe ausgehend von Briefen Himmlers ein „verstörendes Filmporträt über den mörderischen Biedermann“ gestaltet, heißt es in der Programmankündigung.

Christlicher Antijudaismus

Zwei weitere Veranstaltungen nehmen sich kritisch des christlichen Antijudaismus an. Zum Thema „Neu auf das Judentum blicken“ lädt ein Gottesdienst in der Ruprechtskirche am 5. November, um 17.00 Uhr, ein.

Das Augenmerk gilt dabei dem Evangelisten Lukas, in dessen Texten sich „eine ambivalente Sicht aufs Judentum“ finde, wie es in der Ankündigung heißt. Wie eine christliche Gemeinde dies heute lesen, hören und verstehen kann, ist die Leitfrage der Gemeinde St. Ruprecht.

„Gegen Fake News und neue Ideologien“

Am Tag vor der Pogromnacht, am Dienstag, den 8. November, um 19.00 Uhr, präsentiert der Grazer Rechtsphilosoph Anton Grabner-Haider im Otto-Mauer-Zentrum das von ihm mitherausgegebene Buch „Denken im Widerstand. Gegen Fake News und neue Ideologien“. Darin bezieht er gegen den neuen Antisemitismus und die geistige Aufrüstung in den neuen Medien Stellung.

Am 10. November, um 19.00 Uhr, stellt sich der Theologe Oliver Achilles der Frage und dem Vorwurf: „Hat Israel die Propheten getötet?“, der im Zusammenhang mit der Kreuzigung Jesu erhoben wird. Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten der Theologischen Kurse am Wiener Stephansplatz 3 statt.

Interreligiöse Zusammenarbeit

Gemeinsam getragen wird die gesamte Veranstaltungsreihe von der Gemeinde St. Ruprecht, dem Albert-Schweitzer-Haus, der Evangelischen Hochschulgemeinde Wien, der Wochenzeitung „Die Furche“, dem „Katholischen Akademiker/innenverband“ Wien, der Katholischen Aktion Österreich, der Katholischen Hochschuljugend Wien, dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit und den Theologischen Kursen.

Das Programm beginnt am Sonntag und endet am 12. November 2022 mit einem „Gedenkspaziergang“, der von Wien-Rudolfsheim über den Westbahnhof bis nach Mariahilf, vorbei an Denkmälern und Orten der Erinnerung, führt.