Großbritannien

Britische Missbrauchsstudie vorgelegt: 7.000 Betroffene

Rund 7.000 Menschen in Großbritannien haben sich als Betroffene von Kindesmissbrauch in staatlichen aber auch religiösen Einrichtungen seit den 1950er Jahren gemeldet. Das geht aus einem 458 Seiten umfassenden Abschlussbericht des „Independent Inquiry into Child Sexual Abuse“ (IICSA) hervor.

Die Art und das Ausmaß des Missbrauchs in England und Wales seien „schrecklich und zutiefst beunruhigend“, Kinder seien „bedroht, geschlagen und gedemütigt“ und vor allem „nicht gehört“ worden, sagt die Vorsitzende der Untersuchungskommission, Alexis Jay, laut BBC News (Freitag).

Die Studie wurde 2015 nach dem Skandal um den Moderator Jimmy Savile von der damaligen Innenministerin Theresa May begründet und gibt 20 Empfehlungen etwa zu Meldepflicht, Entschädigung und Einführung neuer Behörden und Maßnahmen für den Kinderschutz. So müsse die Regierung dringend ein Gesetz auf den Weg bringen, um jeden, der mit Kindern arbeitet und sexuellen Missbrauch nicht anzeigt, strafrechtlich verfolgen zu können, erklärte Jay.

„Vorwürfe ignoriert“

Etwa 7.000 Betroffene haben für die Untersuchung Zeugenaussagen gemacht, 725 Personen haben bei öffentlichen Anhörungen ausgesagt. Der Bericht deckt 15 Untersuchungsbereiche ab, darunter aus der katholischen und anglikanischen Kirche in England und Wales sowie anderen religiösen, staatlichen und sonstigen Einrichtungen. Zu beobachten sei eine „unangemessene Ehrerbietung“ von Polizei, Staatsanwälten und Parteien gegenüber Prominenten, die des Missbrauchs beschuldigt werden.

„Wir haben immer wieder gehört, dass Missbrauchsvorwürfe ignoriert, Opfern die Schuld gegeben wurde und Institutionen ihren Ruf über den Schutz von Kindern stellten“, sagte Jay. Zudem werde das Problem durch die „aktuelle und künftige Bedrohung durch das Internet“ verschärft.

Kirchen und Religionen betroffen

Der Bericht bescheinigt der römisch-katholischen Kirche demnach eine „traurige Geschichte des sexuellen Missbrauchs von Kindern“. Zwischen 1970 und 2015 habe es 3.000 Beschwerden und 133 Verurteilungen gegeben mit Entschädigungen in Millionenhöhe an die Opfer. In der anglikanischen Kirche von England erfolgten laut Bericht 390 Verurteilungen, die bis in die 1940er Jahre zurückreichen. Betroffene wurden nicht unterstützt und mutmaßliche Täter geschützt. Ein wesentlicher Grund seien die Machtstrukturen der Kirchen, in denen der Klerus oft als unantastbar galt.

In anderen Religionen habe es „erhebliche Hindernisse für eine wirksame Anzeige von sexuellem Missbrauch von Kindern gegeben, einschließlich Schuldzuweisungen an das Opfer und Vorstellungen von Scham und Ehre“, so die Kommission. Religiöse Gruppen würden ihren Ruf schützen, indem sie die Misshandlung von Kindern vertuschten. Bei den Zeugen Jehovas würden Vorwürfe nur dann ernst genommen, wenn es zwei Zeugen gebe, was erfahrungsgemäß selten sei.

Kirchen prüfen Empfehlungen

Die katholische Bischofskonferenz von England und Wales dankte der Untersuchungskommission für ihre Arbeit und versprach, Inhalte und Empfehlungen „sorgfältig zu studieren“. Man werde nicht nachlassen in dem Bemühen, Leben und Arbeit in der Kirche für alle sicherer zu machen, hieß es in einer Stellungnahme. Dazu seien in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Maßnahmen erfolgt. „Es ist uns wichtig, erneut vorbehaltlos alle um Entschuldigung zu bitten, die durch Missbrauch verletzt wurden in der römisch-katholischen Kirche in England“, betonten die Bischöfe.

Auch die anglikanische Church of England versicherte, die Empfehlungen im Detail zu prüfen und „zu gegebener Zeit umfassend zu beantworten“. Dies sei Teil der Verpflichtung, die Kirche zu einem sichereren Ort für alle zu machen, so die anglikanische Staatskirche. Erneut äußerte sie ihr Bedauern über „den Schmerz, den die Kirche“ mit ihrem Versagen beim Kinderschutz verursacht habe.