Chronik

Ex-Chef von französischer Bischofskonferenz gesteht Missbrauch

Der ehemalige Vorsitzende von Frankreichs katholischer Bischofskonferenz, Kardinal Jean-Pierre Ricard, hat zugegeben, in den 1980er Jahren ein 14-jähriges Mädchen missbraucht zu haben.

Der heute 78-Jährige bezichtigte sich in einem Schreiben an die derzeit tagende heutige Vollversammlung der Bischöfe selbst, sich dem Mädchen gegenüber „auf verwerfliche Weise verhalten“ zu haben. Ricard war früher Erzbischof von Bordeaux. Die Konferenz habe den Fall Ricards unterdessen bei der Generalstaatsanwaltschaft und bei der zuständigen vatikanischen Glaubensbehörde angezeigt, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft in Marseille leitete Vorermittlungen gegen den Geistlichen ein. Wie die Strafverfolgungsbehörde am Dienstag mitteilte, werde wegen schwerer sexueller Belästigung ermittelt. Die genaue Art der angezeigten Taten und ihre Datierung müssten überprüft und Beteiligte vernommen werden.

Bischofskonferenz: „Schock“

Der heutige Vorsitzende der Konferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, bezeichnete das Geständnis am Montag als „Schock“. Auf ihrer Vollversammlung beraten Frankreichs Bischöfe auch über die Bewältigung von Missbrauchsskandalen, die dort ebenso wie in Deutschland hohe Wellen geschlagen haben.

„Verwerflich verhalten“

In einer von de Moulins-Beaufort verlesenen Erklärung teilt Kardinal Ricard mit: „Vor 35 Jahren habe ich mich als Pfarrer gegenüber einem 14-jährigen Mädchen verwerflich verhalten.“ Das habe bei ihr „schwere und dauerhafte Folgen“ hinterlassen. Er habe mit der Frau darüber gesprochen und „sie um Vergebung gebeten“. Ricard erklärte weiter, er habe sich entschlossen, nicht länger zu schweigen und sich der staatlichen und kirchlichen Justiz zu stellen. Zudem wolle er nun eine „Zeit in Rückzug und Gebet“ verbringen.

Kardinal Jean-Pierre Ricard, früherer Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz
Reuters/Alessandro Bianchi
„Bei der Frau entschuldigt“: Kardinal Ricard

Ricard ist einer von sechs französischen Kardinälen. Seit 2001 leitete er die Erzdiözese Bordeaux im Südwesten des Landes; zudem war er von 2001 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz. 2019 nahm Papst Franziskus seinen Amtsverzicht als Erzbischof von Bordeaux aus Altersgründen an.

Viele Vorwürfe

Nach Angaben von Moulins-Beaufort sind in Frankreich zehn zumeist ehemalige Bischöfe in Zusammenhang mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs ins Visier der Justiz oder innerkirchlicher Ermittlungen geraten. In zwei Fällen sollen Bischöfe Hinweise auf Missbrauch nicht weitergegeben haben.

Das öffentliche Ansehen und Wort der Bischöfe in Frankreich hat durch Enthüllungen um sexuellen Missbrauch oder den Umgang damit stark gelitten. Das Thema steht im Zentrum der derzeitigen Vollversammlung in Lourdes. Erst vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass der frühere Bischof von Creteil, Michel Santier, wegen Machtmissbrauchs zu sexuellen Zwecken bereits vor mehr als einem Jahr vom Vatikan mit Strafmaßnahmen belegt worden war. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass die Kirchenleitung damals nicht über den Vorgang informiert hatte.