Wien

Islamgesetz: Fachtagung stellt Fragen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) will sich bei der Fachtagung „Islamgesetz 2015 – Ein Best Practice Modell?“ mit dem Islamgesetz 2015 und seiner Novellierung im Jahr 2021 aus unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzen.

Der Frage, inwieweit das Islamgesetz in Österreich eine angemessene Antwort auf aktuelle gesellschaftliche Veränderungsprozesse darstellt, wollen sich die Redner und Rednerinnen am 21. November im Festsaal der Diplomatischen Akademie widmen, wie es in einer Presseaussendung der IGGÖ heißt. Das Islamgesetz wurde im Februar 2015 im Nationalrat beschlossen und im Jahr 2021 novelliert. Über dessen Verfassungsrechtlichkeit wird seit Jahren debattiert.

Insbesondere die Gesetzesnovellierung wurde von mehreren Glaubensvertretern und Verfassungsrechtlern scharf kritisiert, da sie im Rahmen des Anti-Terror-Pakets, wenige Wochen nach dem Terroranschlag in Wien von 2020 beschlossen wurde. Die IGGÖ sprach sich gegen die „verfassungsrechtlich heikle“ Novelle aus. Diese im Kontext von Terrorbekämpfung durchzuführen, sei „verstörend“.

Interreligiöse Perspektiven

Auch die römisch-katholische und die evangelischen Kirchen hatten in der Begutachtung der Verschärfungen des Islamgesetzes Bedenken und äußerten teils scharfe Kritik. So bekundeten die evangelischen Kirchen etwa ihren Unmut darüber, dass die Novelle ohne die Vertretung von Muslimen und Musliminnen erarbeitet worden sei, „was einen alarmierenden Paradigmenwechsel im Umgang des Staates mit Kirchen und Religionsgemeinschaften darstellt“.

Veranstaltungshinweis:

Die Fachtagung findet am Montag, den 21. November 2022 von 8:30 bis 17:00 Uhr im Festsaal der Diplomatischen Akademie Wien, Favoritenstraße 15A, 1040 Wien, statt.

Bei der Fachtagung werden der evangelische Bischof Michael Chalupka, der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit Martin Jäggle, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz Charlotte Herman und der Präsident der alevitischen Glaubensgemeinschaft Österreich Yüksel Bilgin zu Wort kommen und eine interreligiöse Perspektive auf das Thema Islamgesetz werfen.

Schlechterstellung der islamischen Glaubensgemeinschaft

In den drei angekündigten Panels „Religion & Staat“, „Religion & Recht“ und „Religion & Gesellschaft“ wird unter anderem diskutiert werden, inwieweit der Gesetzestext eine Schlechterstellung im Vergleich zu anderen gültigen Religionsgesetzgebungen in Österreich enthält und vor welchen Herausforderungen die islamische Glaubensgemeinschaft bei der Umsetzung der ihr übertragenen Kompetenzen seit der Novellierung steht.

Frauen mit Protestschildern bei der Protestkundgebung „Neues Islamgesetz? Nicht mit uns!“ am Dienstag, 24. Februar 2015, vor dem Parlament in Wien.
APA/Herbert Neubauer
Schon 2015 wurde gegen das Islamgesetz mit der Protestkundgebung „Neues Islamgesetz? Nicht mit uns!“ vor dem Parlament in Wien demonstriert

Andreas Kowatsch, Vorstand des Instituts für Kirchenrecht und Religionsrecht an der Uni Wien wird etwa über „moderne Strukturen und Strukturen und Organisationsformen der römisch-katholischen Kirche" sprechen. Noch am Tag des Beschlusses der Islamgesetz-Novelle“ sprach er von einer „unsachlichen Diskriminierung“ der islamischen Religionsgemeinschaft, die nun per Gesetz ein Imame-Verzeichnis führen müsse.

Verfassungsrechtliche Aspekte

„Das kennen wir von anderen Religionsgemeinschaften nicht“ äußerte er sich damals in der Ö1-Sendung „Religion aktuell“. Auch das Vermögensregister, das die islamische und alevitische Glaubensgemeinschaft jährlich über die ihnen zugeordneten Kultus- und Moscheegemeinden offenlegen muss, verurteilte Kowatsch. Wenn „einzig und allein“ die anerkannten islamischen Glaubensgemeinschaften über die Verwendung ihrer Mittel Auskunft geben und Verzeichnisse vorlegen müssen, sei dies „eindeutig ein Eingriff in die inneren Angelegenheiten einer Religion“ und dürfte deshalb sogar „verfassungswidrig sein“, so Kowatsch 2021.

Bei der Fachtagung werden sich in ihren Vorträgen auch Johannes Schnizer, Richter am österreichischen Verfassungsgerichtshof, und der Religionsrechtexperte Stefan Schima, den verfassungsrechtlichen Aspekten des Islamgesetzes und anderen religionsrechtlichen Sondergesetzen in Österreich widmen. Einen Einblick in die rechtlichen Herausforderungen bei der Umsetzung des Islamgesetzes aus Sicht der IGGÖ wird Rechtsanwalt Metin Akyurek geben.

Diskriminierung auf „institutionalisierter Ebene“

Die Debatte über das Islamgesetz war und ist auch eine gesellschaftspolitische. IGGÖ-Präsident Ümit Vural richtete noch vor Beschluss der Gesetzesnovellierung Anfang Juli 2021 einen Appell an den Nationalrat, Musliminnen und Muslime nicht zu diskriminieren. Mit dem Beschluss des neuen Gesetzes werde die Diskriminierung „auf eine institutionalisierte Ebene gehoben“, so Vural.

Die im Rahmen des „Anti-Terror-Pakets“ beschlossene Novellierung, würde auch „keinen einzigen Anschlag verhindern“, sondern Muslimen und Musliminnen das Gefühl vermitteln ungleich behandelt zu werden, „ja sogar als Ganzes für den Terroranschlag verantwortlich gemacht zu werden“, sagte Vural gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“.

Islamdebatten in der österreichischen Gesellschaft

Bei dem Panel zum Themenblock „Religion & Gesellschaft“ wird am 21. November Benjamin Opratko über anhaltende Islamdebatten in Österreich sprechen. Über das Phänomen des antimuslimischen Rassismus in Bezug auf das Islamgesetz und Auswirkungen des Islamgesetzes auf muslimische Organisationen in Österreich werden der Deradikalisierungsexperte Nadim Mazarweh und IGGÖ-Bildungssprecher Murat Özdemir referieren.