Fachtagung

IGGÖ: Islamgesetz 2015 „bediente Krisennarrativ“

Die Novellierung des Islamgesetzes 2015 habe ein „Krisennarrativ“ bedient, das kulturell konnotiert war und Ängste aus politischen Gründen geschürt hat: Das sagte der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, bei einer Fachtagung am Montag in der Diplomatischen Akademie in Wien.

Bei der von der IGGÖ ausgerichteten Tagung, die sich mit der Evaluierung des Islamgesetzes aus unterschiedlichen Perspektiven befasste, waren neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften anwesend.

Das Islamgesetz von 1912 habe für alle Musliminnen und Muslime Kultusfreiheit garantiert, betonte Vural. Die Novellierungen des Gesetzes von 2015 und 2021 hätten hingegen zu „massiven Problemen“ geführt. So sei die im März 2015 im Nationalrat erlassene Gesetzesnovelle von wirtschaftlichen und politischen Konflikten auf der ganzen Welt und vom Erstarken der Terrormiliz IS überschattet gewesen.

Muslime „eher als Gefahr gesehen“

„Von Musliminnen und Muslimen als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft in Österreich wollte damals keiner sprechen, sie wurden eher als Gefahr gesehen, die eine versteckte Agenda in einer Parallelgesellschaft verfolgen“, meinte Vural. Die Novellierung sei geprägt von einem Generalverdacht, von Kontrolle und Sanktionen unter dem Schlagwort des Kampfes gegen den sogenannten politischen Islam.

Sie hätte „gravierende, nicht akzeptable Eingriffe in den geschützten Religionsbereich“ gebracht. Vural kritisierte, dass die Novellierung 2015 ohne Einbindung der Religionsgemeinschaft und im Kontext eines Terroranschlags erfolgt sei, das Islamgesetz sei jedoch „ein Kultusgesetz und kein Sicherheitspolizeigesetz“.

„Zeichen von Misstrauen und Vorbehalten“

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka verglich in seinem Beitrag das Islamgesetz mit dem Protestantengesetz von 1961. Während Letzteres einen Grundton des „Respekts und Vertrauens“ erkennen lasse, weise das Islamgesetz „Zeichen von Misstrauen und Vorbehalten“ auf.

Sowohl die Novellierung 2015 als auch jene von 2021 stellten „alarmierende Kulturbrüche“ dar, die alle Religionsgemeinschaften betreffen, so Chalupka, denn „wenn eine Religionsgemeinschaft schlecht behandelt wird, spüren das am Ende alle anderen Religionsgemeinschaften“. Er trage die Hoffnung, dass „vieles aus dieser Zeit aufgearbeitet wird“, das Thema des Karfreitags sei „genauso zu reparieren“ wie das Islamgesetz, um zu einer „Kultur des Miteinanders zurückzukehren“.

Expertenreferate

Unter dem Titel „Islamgesetz 2015 – Ein Best Practice Modell?“ referierten Expertinnen und Experten aus dem religionsrechtlichen Bereich. So sprach der katholische Theologe und Kirchenrechtsprofessor an der Universität Wien, Andreas Kowatsch, zum Thema „Moderne Strukturen und Organisationsformen der Römisch-Katholischen Kirche“.

Der frühere Ministerialrat im Kultusamt und evangelische Theologe, Karl Schwarz, ging in seinem Vortrag auf die Rolle des Kultusamtes in historischer Perspektive ein. Rechtsphilosoph Stefan Schima wies darauf hin, dass das Islamgesetz Regelungen und Verwaltungsstrafbestimmungen enthält, die durchaus singulär in der religionsrechtlichen Landschaft Österreichs sind.