Prozess

Heimlich Telefonat mit Papst aufgezeichnet

Im Zuge des Prozesses in einem vatikanischen Finanz- und Korruptionsskandal hat ein Gericht am Donnerstagnachmittag ein heimlich aufgezeichnetes Telefongespräch zwischen dem Hauptangeklagten, dem umstrittenen Kardinal Angelo Becciu, und Papst Franziskus gehört.

Das Gespräch wurde ohne Wissen des Papstes von einer Frau aufgenommen, die sich im Juli 2021 in einem Raum mit Becciu befand, kurz bevor der Prozess im Vatikan begann und während der Papst sich noch von einer großen Darmoperation erholte.

Journalisten wurden gebeten, den Raum zu verlassen, während das Band vor Gericht abgespielt wurde. Im Gerichtssaal anwesende Anwälte, die die Aufnahme gehört haben, berichteten, dass Becciu den Papst gebeten habe, zu bestätigen, dass er eine Zahlung für die Freilassung einer Nonne, die in Afrika entführt worden war, genehmigt habe.

Lösegeld für entführte Nonne?

Die Anwälte sagten, dass der Papst während des Anrufs perplex und verwirrt schien, warum Becciu anrief, und dass der Pontifex den Kardinal wiederholt bat, ihm eine schriftliche Notiz zu schicken, was er wolle.

Im Jahr 2018 hatte Becciu, damals die drittmächtigste Person im Vatikan, die mitangeklagte Sicherheitsanalystin Cecilia Marogna mit der Befreiung einer kolumbianischen Nonne beauftragt, die in Mali von einer mit El Kaida verbundenen Gruppe entführt worden war. Die Nonne Gloria Cecilia Narvaez wurde schließlich vier Jahre nach ihrer Entführung, im Jahr 2021, freigelassen. An den Verhandlungen, die zu ihrer Freilassung führten, waren mehrere europäische und afrikanische Diplomaten beteiligt.

Anklage wegen Veruntreuung

Die 44-jährige Marogna erhielt zwischen 2018 und 2019, als Becciu dort arbeitete, 575.000 Euro vom vatikanischen Staatssekretariat. Das Geld wurde einer Firma überwiesen, die sie in Slowenien gegründet hatte. Marogna erhielt einen Teil in bar, wurde dem Gericht mitgeteilt.

Die Polizei fand heraus, dass Marogna einen Großteil des Geldes für persönliche Zwecke ausgegeben hatte, darunter für Luxuskleidung und Besuche in Wellnesseinrichtungen. Sie ist wegen Veruntreuung angeklagt. Becciu muss sich vor Gericht wegen Veruntreuung, Korruption und Amtsmissbrauch verantworten. Wie die anderen acht Angeklagten haben sie jegliches Fehlverhalten abgestritten.

Becciu nun auch krimineller Verschwörung verdächtig

Der Chefankläger des Prozesses, Alessandro Diddi, teilte mit, dass er neue Ermittlungen eingeleitet habe. Becciu sei jetzt auch der kriminellen Verschwörung verdächtigt. Er sagte, er habe die Einzelheiten beim Gericht hinterlegt. Beccius Anwälte erwiderten in einer Stellungnahme, dass ihnen keine neuen Anschuldigungen bekannt seien. Sie äußerten sich nicht zu dem heimlich aufgezeichneten Telefongespräch.

Ein Jahr vor Beginn des Prozesses hatte Papst Franziskus Becciu wegen des Verdachts der Günstlingswirtschaft entlassen. Becciu bestreitet den Vorwurf, seine Familie finanziell begünstigt zu haben. Der Prozess dreht sich um den Kauf eines Gebäudes in London durch das Staatssekretariat. Zu den zehn Angeklagten gehören ehemalige Mitarbeiter des Vatikans und italienische Mittelsmänner, die den Vatikan laut Anklage erpresst haben sollen.

37. Verhandlungstag im Vatikan-Finanzprozess

Der Vatikan-Finanzprozess war am Donnerstag mit der lang erwarteten Befragung des als Hauptzeugen gehandelten Alberto Perlasca fortgesetzt worden. Perlasca war viele Jahre Verwaltungsleiter im vatikanischen Staatssekretariat und damit Angestellter unter dem angeklagten Kardinal Angelo Becciu. In dessen Auftrag schloss er erste Verträge mit den ebenfalls angeklagten Finanzmanagern Raffaele Mincione und Gianluigi Torzi für eine am Ende verlustreiche Investition in eine Londoner Immobilie.

Dieses Geschäft und mögliche damit verbundene Straftaten stehen im Mittelpunkt des Prozesses. Unter anderem sollen Medienberichten zufolge auch Gelder aus dem „Peterspfennig“ verwendet worden sein, also Spenden an den Papst für seine karitative, aber auch sonstige Arbeit. Das stritt Perlasca am 37. Verhandlungstag im Vatikan ab. Gelder für die Investition seien aus einem extra eingerichteten, wenn auch nicht näher erläuterten Fonds gekommen; die Immobilie sei zunächst ein interessantes und sicheres Investitionsobjekt gewesen.

Perlasca mit wenig Erinnerung

Perlasca, der mittlerweile als geschädigte Partei im Prozess auftritt, beschrieb seine eigene Rolle und Befugnisse als eher unbedeutend, gab die Schuld dem damals für Investitionen zuständigen Beamten im Staatssekretariat.

Erst selbst Verdächtiger, hatte Perlasca ab einem gewissen Punkt mit den Ermittlern im Vatikan zusammengearbeitet und auch ein Memorandum eingereicht. Trotzdem konnte er sich bei dem stundenlangen Kreuzverhör nur an Weniges konkret erinnern, teilte stattdessen etwa gegen „betrügerische“ Finanzmakler und Berater aus und kritisierte den vatikanischen Generalrevisor.