Österreich

Missbrauch in Tiroler Heim: Forschungsbericht liegt vor

Ein Forschungsprojekt in Tirol hat sich intensiv mit Missbrauch in konfessionellen Heimen seit 1945 auseinandergesetzt. Anlass waren bekanntgewordene Missstände im Mädchenheim in Martinsbühel in Zirl. Das Ergebnis liegt nun vor.

Das Resultat ist laut „Tiroler Tageszeitung“ ein 400 Seiten langer, erschreckender Bericht. Die beiden Forschenden Ina Friedmann und Friedrich Stepanek nahmen sieben Heime unter die Lupe und führten dafür 75 Interviews. Als Titel für den Bericht wählten Friedmann und Stepanek, die unter der Projektleitung des Historikers Dirk Rupnow arbeiteten, „Demut lernen“.

Denn „Demut war es, die die Kinder in katholischen Heimen lernen sollten. Per se kein negativ behafteter Begriff, war die Erziehung zu ebendieser Demut, zu Bescheidenheit, Dankbarkeit, Genügsamkeit, Folgsamkeit und Unterordnung im konfessionellen Heimkontext vor allem etwas den Alltag Beherrschendes“, schrieben die beiden. Allerdings sei Demütigung Teil der Erziehung gewesen. „Wiederholte Abwertung, Erniedrigung und Entpersonalisierung geschah durch Anwendung von Gewalt in unterschiedlichen Ausprägungen“, hieß es weiter.

Heim für Betroffene „Gefängnis“

Friedmann und Stepanek setzten sich mit den Geschehnissen in den Heimen aus verschiedenen Blickwinkeln auseinander. Sie beleuchteten etwa die Themen Fürsorge, Behörden, Personalstrukturen, Heimalltag, finanzielle Situation, Ausprägungen von Gewalt, Abläufe, Aufgaben und Arbeiten sowie weiterer Lebensweg und der Umgang mit der Heimzeit der Betroffenen. Die Berichte beschreiben Erfahrungen mit (sexualisierter) Gewalt, Missbrauch und verschiedenen Formen von Bestrafungen, hieß es.

Eine betroffene Person bezeichnete die Einrichtung etwa als „Gefängnis“ mit wenig Kontakt zur Außenwelt in dem man „nicht selbstständig denken oder eine Meinung haben durfte“.

Wunsch nach Anerkennung durch Kirche

Aus den Interviews ging zudem hervor, dass Opfer stets die Angst begleitete, dass man ihnen nicht glauben würde. „Und nicht zuletzt litten und leiden viele Betroffene zeitlebens unter dem Stigma, ein Heimkind (gewesen) zu sein, was sich entsprechend negativ auf den Selbstwert auswirkte“, zitierte die „TT“ aus dem Bericht. Sie würden sich zudem eine Anerkennung der kirchlichen Stellen erwarten.

Der Forschungsbericht ist Teil der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe rund um das mittlerweile geschlossene Mädchenheim Martinsbühel. Das Land richtete eine unabhängige Entschädigungskommission ein, nachdem seit 2010 immer mehr Vorwürfe bekannt geworden waren.

Hürden bei der Forschung

Das Land und die Diözese Innsbruck setzten eine Dreierkommission ein, die wiederum das Forschungsprojekt ins Leben gerufen hatte. Bei der Erstellung des vorliegenden Forschungsberichtes stießen die Autoren allerdings auf Hürden, so war etwa die Aktenlage im Tiroler Landesarchiv sehr dürftig.

Obwohl Land und Diözese Auftraggeber des Berichts seien, heiße dies jedoch nicht, „dass all ihre Einrichtungen die Forschungsarbeiten unterstützten. Deutlich spürbar war die Sorge, durch Kooperation letztlich in schlechtem Licht präsentiert zu werden“. So sei etwa laut Kommission auch die Kooperation mit den Ordensschwester, die in Martinsbühel gearbeitet hatten, sehr schwierig gewesen sein.