Krippenfiguren in Neapel
APA/AFP/Carlo Hermann
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Advent

Akademie für Krippenbauer in Neapel

Neapel gilt als Hauptstadt der Krippenbauer. Vom ersten Advent an strömen Besuchermassen durch die Via San Gregorio Armeno in der Altstadt, in der sich die Geschäfte der bekanntesten Krippenbauer befinden. Bald soll ein Kurs für angehende Krippenbauerinnen und Krippenbauer angeboten werden.

40 Handwerker fertigen Szenen und Figuren für Weihnachtskrippen an. Einige von ihnen sind seit fünf Generationen Krippenbauer. Um die Tradition aufrecht zu erhalten, planen sie jetzt die Gründung einer Akademie, in der man dieses Handwerk erlernen kann.

Die Figuren haben sich auch im 21. Jahrhundert nicht verändert. Die Liebe zur Krippentradition hält bis heute an. „Mein Urgroßvater hatte hier bereits 1840 eine Hütte stehen“, berichtet Vincenzo Capuano im Gespräch mit der APA. Er führt zusammen mit seinem Bruder Luciano in fünfter Generation die im Jahr 1840 gegründete Krippenwerkstatt „Fratelli Capuano“.

„Ein krisenfreier Job“

Heute gehört den Capuano-Brüdern eines der bekanntesten Geschäfte Neapels. „Ich bin mit Krippen aufgewachsen, daher war es für mich selbstverständlich, das Geschäft zu übernehmen. Außerdem ist es ein krisenfreier Job“, meint der 50-Jährige. Auch seine Kinder sind im Geschäft tätig.

Sein Know-how will Capuano jetzt jüngeren Generationen weitergeben. Zusammen mit der Gemeinde Neapel sollen ab dem nächsten Jahr ein Kurs für junge Krippenbauerinnen und Krippenbauer eingerichtet und für die Akademie die Räumlichkeiten eines Gebäudes in der Altstadt zur Verfügung gestellt werden. Auch Kurse für Erwachsene, die sich für die Krippenkunst interessieren, werden organisiert. „Unser Ziel ist, dass diese wunderschöne Kunst bestehen bleibt und nicht verloren geht“, berichtet Capuano.

Anfragen aus vielen Ländern

Auch wenn nur einmal im Jahr Weihnachten ist, an Aufträgen mangelt es nie. Sogar aus Spanien, Deutschland und Amerika kommen Anfragen. So lieferte Capuano bereits Figuren für Krippen im Spanischen Königspalast in Madrid sowie für die Krippe im Geburtsort von Italiens Nationalheiligem Padre Pio in der Stadt San Giovanni Rotondo in Apulien.

Auch für das Bayerische Nationalmuseum in München fertige Capuano Krippenfiguren an. Mit Ausstellungsstücken aus der Zeit von 1700 bis 1900 aus Bayern, Tirol, Neapel und Sizilien besitzt das Bayerische Nationalmuseum die größte und bedeutendste Krippensammlung der Welt.

Während der Tannenbaum, dessen Tradition aus dem Norden stammt, in Süditalien weniger bedeutend ist, spielt in Neapel die Krippe eine wichtige Rolle. Es gibt sie schon seit dem frühen Mittelalter. Im Jahre 1534 wurde in Neapel das erste Mal eine überlebensgroße Krippe aufgestellt.

Trachten statt traditioneller Kleider

Um den Bewohnerinnen und Bewohnern die Figuren näher zu bringen, wurden ihnen die traditionellen Kleider aus- und die Trachten von damals angezogen. Die Neapolitaner waren begeistert. Das 17. Jahrhundert war die goldene Zeit für Krippen in Neapel. Jeder, der etwas auf sich hielt, wollte eine eigene zu Hause stehen haben.

Der Beruf der Krippenbauer war somit erfunden. Die Handwerker hielten sich in den ersten Zeiten strikt an die von der Bibel überlieferte Originalvorlage: Maria, Josef, Jesuskind, Kuh, Esel, Schaf, Hirten und die Heiligen Drei Könige. Der „Nativita“ in der Hütte wurden aber im Laufe der Zeit neue Szenen und Figuren „hinzugedichtet“. Der Fantasie der Handwerker waren keine Grenzen gesetzt. Eine Krippe, aus Holz, Kork und Moos hergestellt, konnte schon gut und gerne bis zu 200 Figuren haben, auf mehrere Szenen verteilt.

Pizzaofen und Mühlrad

In der Regel beschränken sich die Krippenbauer nicht einfach auf den Stall von Bethlehem, sondern sie gestalten ganze Landschaften mit mehreren, zum Teil vielstöckigen Gebäuden, in denen Bauern, Schmiede, Bäcker und Gemüsehändler ihrem Gewerbe nachgehen. In besonders aufwendigen Exemplaren flackert eine künstliche Glut aus dem Pizzaofen oder ein kleines Bächlein treibt ein Mühlrad an.

Was die Figuren so einzigartig und wertvoll macht, sind die Glasaugen und die handgeschneiderten Kleider aus Samt und Seide. An den Kleidern arbeiten die Frauen der Familie Capuano. Eine Figur von rund 60 Zentimetern kann bis zu 200 Euro kosten, eine komplette Krippe bis zu 5.000 Euro.

Den neapolitanischen Krippenbauern mangelt es nicht an Fantasie. Sie sind zwar mit der Tradition eng verbunden, lassen sich aber auch vom Weltgeschehen inspirieren. Zu kaufen gibt es beispielsweise kleine Figuren von Politikern, von einheimischen Musikern und von Fußballern – allen voran natürlich von Diego Armando Maradona, der den SSC Neapel in den Achtzigerjahren zu zwei Meistertiteln geführt hat und deswegen bei den Neapolitanern „Heiligenstatus“ genießt.