Politik

Israel: Patriarch besorgt über Regierungsbildung

Das zerbrechliche Gefüge der multiethnischen und multireligiösen israelischen Gesellschaft ist nach Einschätzung des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, gefährdet.

Einige Mitglieder der wahrscheinlichen neuen Regierung zeigten offen rassistische Haltungen. Der ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bis Mittwoch Zeit, eine neue Regierung zu bilden. Von einer Christenverfolgung zu sprechen, sei seiner Einschätzung nach dennoch verkehrt, sagte der italienische Franziskaner und oberste katholische Repräsentant im Heiligen Land im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA (Dienstag) Jerusalem.

Während der Begriff Verfolgung für ihn verbunden sei mit dem Islamischen Staat (IS) und den Geschehnissen in Ländern wie Irak oder Syrien, sehe er in Israel keine „Verfolgung im Sinne einer klaren Strategie gegen jemanden“. Es gebe eine Vision, die jüdisch-religiöse Verbindung zur Stadt Jerusalem zu stärken, bei der Christen „ein Kollateralschaden“ sind, so Pizzaballa. Die Existenz von antichristlichen Gruppen lasse sich nicht leugnen, dies sei jedoch nicht die allgemeine Haltung des Staates.

Rassismus problematisch

Als rassistisch und problematisch bezeichnete Pizzaballa die Haltung einiger Koalitionsmitglieder, die sich offen aggressiv gegen Nichtjuden und die arabische Gesellschaft äußerten, zu der auch die palästinensischen Christen als Teil der palästinensischen Gesellschaft gehörten. Eine Regierung solle sich für den Erhalt des vielfältigen Gesellschaftsgefüges einsetzen und „nicht mehr Spaltungen und Spannungen schaffen“.

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa.
APA/AFP/Ahmad Gharabli
Der Lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa

Der religiöse Aspekt sei Teil der Identität Jerusalems. „In dieser Hinsicht sind Juden und Muslime sehr klar, wir Christen sind es nicht“, rief der Patriarch auf, einen systematischeren christlichen Diskurs über Jerusalem zu entwickeln. Dabei gelte es die Frage zu beantworten, warum Jerusalem für Christen wichtig ist, so Pizzaballa „Dass wir hier sind, ist kein Unfall, sondern Vorsehung. Aber was bedeutet das? Israels Jerusalempolitik ist mit der religiösen Sicht verbunden, während wir bisher vor allem vom palästinensischen politischen Standpunkt aus über Jerusalem sprechen. Das darf nicht der einzige Punkt bleiben.“

Heilig-Land-Pilger kehren zurück

Für seine Diözese gehe ein fruchtbares Jahr mit vielen Veränderungen zu Ende, berichtete Pizzaballa weiter. Die Einheit zu wahren, bleibe dabei aufgrund der Einzigartigkeit des sich über vier sehr unterschiedliche Länder erstreckenden Diözesangebiets eine Herausforderung. „Letztlich ist es meine Rolle als Bischof, Garant der Einheit zu sein, und deshalb muss ich präsent sein in allen Teilen des Bistums“, so der Italiener.

Zu den erfreulichen Entwicklungen von 2022 gehörten neben der Einsetzung zweier neuer Bischöfe das Wachsen der katholischen Gemeinde von Gaza sowie die Rückkehr der Pilger ins Heilige Land, mit denen eine Normalität in das Leben der Gemeinschaft zurückgekehrt sei. „Unser Bistum hat zwei Lungen, die einheimischen Christen und die Pilger, und jetzt haben wir wieder mehr Luft“, sagte Pizzaballa.