Höhlenkloster Petscherska Lawra in Kiew
APA/AP/Efrem Lukatsky
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Ukraine

Keine Weihnachtswaffenruhe für Kiew

Kiew hat den Aufruf des Moskauer Patriarchen Kyrill für eine Waffenruhe zwischen Russen und Ukrainern zum orthodoxen Weihnachtsfest abgelehnt. Am Freitag wird der orthodoxe Heilige Abend gefeiert.

„Ich, Kyrill, Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, appelliere an alle Parteien, die in den brudermörderischen Konflikt verwickelt sind, das Feuer einzustellen und vom 6. Jänner 12.00 Uhr bis 7. Jänner 24.00 Uhr einen Waffenstillstand zu Weihnachten zu schließen, damit die orthodoxen Menschen am Heiligen Abend und am Tag der Geburt Christi an Gottesdiensten teilnehmen können“, hatte es am Donnerstag auf der Website des Moskauer Patriarchats geheißen. Es machte keine Angaben dazu, an wen Kyrill seinen Aufruf konkret richtete.

Das Moskauer Kirchenoberhaupt ist ein wichtiger Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Kyrills Predigten für den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sorgen seit Monaten international für Empörung. Großbritannien, Litauen und Kanada haben ihn wegen seiner Unterstützung des russischen Angriffs mit Sanktionen belegt. Sowohl Russland als auch die Ukraine betrachten das mittelalterliche Großreich Rus als ihren Vorläuferstaat.

„Zynische Falle“

„Es ist eine zynische Falle und ein Element der Propaganda“, schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die russisch-orthodoxe Kirche sei auch keine Autorität in der weltweiten Orthodoxie und trete lediglich als „Kriegspropagandist“ auf.

Podoljak unterstellte dem Moskauer Patriarchat Aufrufe zum Genozid an den Ukrainern. Zuvor hatte der russische Patriarch Kyrill beide Seiten im „internen Konflikt“ zu einer Waffenruhe am Freitag und Samstag aufgerufen. Nach dem in der Ukraine und Russland befolgten orthodoxen Kirchenkalender ist am Freitag Heiliger Abend und am Samstag der Weihnachtsfeiertag.

Streit um Kiewer Höhlenkloster

Im Streit um das weltbekannte Kiewer Höhlenkloster hat indes die erst 2018 gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) vor dem Hintergrund des Krieges einen Erfolg errungen. Sie wird nach eigenen Angaben zum orthodoxen Weihnachtsfest am Samstag erstmals einen Gottesdienst in der dortigen Mariä-Entschlafens-Kathedrale feiern, die der Staat zum Jahreswechsel der konkurrierenden, bis vor kurzem zum Moskauer Patriarchat gehörigen Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) entzogen hatte.

Die Christen der ukrainisch-orthodoxen Kirche hatten Präsident Wolodymyr Selenskyj um Verbleib in ihren angestammten Kirchen im weltberühmten Höhlenkloster in Kiew gebeten. Es gebe genug Not und Leid wegen des Krieges, Selenskyj solle ihnen nicht noch die letzte Hoffnung nehmen, sagte Klostervorsteher Pawlo Lebid in einer Videobotschaft. Doch die Türen zu den Gotteshäusern bleiben kurz vor dem orthodoxen Weihnachtsfest geschlossen, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag in einem Korrespondentenbericht meldete.

Politische Verfolgung beklagt

Die traditionell mit den russisch-orthodoxen Glaubensbrüdern und –schwestern verbundene Kirche in der Ukraine sagte sich nach Kriegsbeginn vom Moskauer Patriarchat los. Dennoch werfen die Christen der ukrainischen Führung nun politische Verfolgung vor. Sie beklagen gewaltsame Übergriffe und vor allem erniedrigende Razzien durch den ukrainischen Geheimdienst SBU, der russische Spione jagt.

Höhlenkloster Petscherska Lawra in Kiew
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Streit um das weltbekannte Kiewer Höhlenkloster

Die OKU teilte am Mittwochabend mit, sie habe das Kulturministerium um Erlaubnis für einen Weihnachtsgottesdienst in der Hauptkirche des Klosters gebeten und „grünes Licht“ bekommen. Der gesamte Klosterkomplex mit rund 100 Gebäuden steht auf der Welterbeliste der UN-Kulturorganisation Unesco und gehört dem Staat.

Hunderte Meter langes Höhlenlabyrinth

Er verpachtet seit mehr als 30 Jahren vor allem die sogenannte Untere Lawra am Hang zum Westufer des Dnjepr an die traditionsreiche UOK, die bis zu ihrer Loslösung im Mai dem Moskauer Patriarchat unterstand. Dort gibt es ein mehr als 600 Meter langes Höhlenlabyrinth. Die in der Oberen Lawra liegende Mariä-Entschlafens-Kathedrale war bisher das Hauptheiligtum dieser Kirche. Sie musste es aber am Silvestertag zurückgeben.

Auf Initiative des Kulturministeriums verlängerte die zuständige Behörde ihren Ende 2022 auslaufenden Pachtvertrag mit der UOK für die Kathedrale und die Refektoriumskirche daneben nicht. Seit 1. Jänner hat die UOK keinen Zugang mehr zu beiden Gotteshäusern. In den kommenden Wochen solle eine Regierungskommission über die künftige Nutzung des Höhlenklosters beraten und das Areal untersuchen, hatte Kulturminister Olexandr Tkatschenko jüngst angekündigt. Solange seien in der Kathedrale keine Gottesdienste möglich, hieß es.

Konkurrierende orthodoxe Kirchen

In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., gegründete OKU und plant auf Weisung von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das den Weg frei machen soll für ein mögliches Verbot der UOK. Es müsse sichergestellt werden, dass kein vom „Aggressorstaat“ Russland abhängiger Kirchenvertreter die ukrainische Bevölkerung manipuliere und das Land von innen heraus schwäche, so das Staatsoberhaupt Anfang Dezember.

Die lange zum Moskauer Patriarchat gehörende UOK hält den Entzug ihrer Kathedrale für illegal. Laut einem Beschluss der Regierung gälten während des Kriegsrechts endende Pachtverträge für staatliches und kommunales Eigentum eigentlich bis vier Monate nach Ende des Kriegsrechts fort, erklärte sie.

OKU feiert Weihnachtsgottesdienst

Wie die OKU mitteilte, wird am Samstag ihr Oberhaupt Metropolit Epiphanij den Weihnachtsgottesdienst in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale feiern. Sie hofft schon lange darauf, dass sie mit dem Höhlenkloster das Wahrzeichen Kiews erhält.

Der frühere Staatspräsident Petro Poroschenko begrüßte die Erlaubnis für den ersten Gottesdienst der OKU im Höhlenkloster. „Die Lawra ist unser Nationalheiligtum; sie sollte das geistliche Zentrum der ukrainischen Kirche sein und nicht ein provinzielles Zentrum der pseudoreligiösen Struktur des Aggressorlandes“, schrieb er auf Facebook. Der Bürgermeister von Lwiw (Lemberg), Andrij Sadowyj, freute sich auf Twitter: „Die ukrainische Kirche in der ukrainischen, gewissermaßen ‚befreiten‘ Lawra. Alles logisch und gerecht.“