Erzbischof Georg Gänswein bei der Palmsonntagsmesse 2017 im Vatikan
Reuters/Tony Gentile
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Kontrovers

Buch von Papst-Sekretär Gänswein erscheint in Italien

In Italien hat am Donnerstag der Verkauf des mit Spannung erwarteten Buchs von Georg Gänswein, langjähriger Privatsekretär des verstorbenen Papstes Benedikt XVI., begonnen. Darin schreibt der deutsche Erzbischof unter anderem von Spannungen zwischen den beiden Päpsten.

Unter dem Titel „Nient’altro che la verita“ („Nichts als die Wahrheit“) berichtet Gänswein über vereinzelte Meinungsverschiedenheiten zwischen dem ehemaligen und dem amtierenden Papst. Das Buch sorgt in Italien seit Tagen für Schlagzeilen, weil noch vor der Beisetzung Benedikts vergangene Woche erste Auszüge bekannt wurden.

In Kommentaren wurden diese als Angriffe gegen Papst Franziskus gedeutet. Franziskus hatte Gänswein am Montag persönlich empfangen, über den Inhalt des Gesprächs wurde offiziell nichts verlautbart. Gänswein wurde nach eigenen Angaben von Benedikt XVI. als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Keine Skandale

In dem Buch berichtet der Erzbischof, dass der ehemalige Papst seinem Nachfolger Gehorsam versprach. Dennoch hat es dem Buch zufolge Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden gegeben. Ein „Enthüllungsbuch“ sei es aber nicht, urteilt der Kathpress-Experte Ludwig Ring-Eifel in einem Korrespondentenbericht. In Wahrheit enthalte das Buch keine Skandale.

Erzbischof Georg Gänswein und Papst Benedikt XVI.
Reuters/Giampiero Sposito
Gänswein begleitete Papst Benedikt XVI. über Jahre hinweg als Privatsekretär

Bei Lektüre des 336-Seiten-Werks werde nach wenigen Seiten deutlich, worin die eigentliche Brisanz dieser Memoiren bestehe. Das „Hauptthema des Buches: Es handelt vom Miteinander und Nebeneinander eines emeritierten und eines amtierenden Papstes“. Neben den persönlichen Unterschieden und Spannungen spiele vor allem politische, kirchenrechtliche und dogmatische Aspekte eine wichtige Rolle, so Ring-Eifel.

Das Buch schildert dem Experten zufolge drei Abschnitte aus dem Leben des verstorbenen Papstes: Seine Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation (1982–2005), sein Pontifikat (2005–2013) und die knapp zehn Jahre als „Papa emeritus“ (2013–2022). Gänswein begleitete ihn in allen drei Phasen als Privatsekretär.

Kontroverse um lateinische Sprache

Ferner habe Benedikt die Entscheidung von Papst Franziskus missbilligt, die sogenannte außerordentliche Form der Messe in lateinischer Sprache und mit dem Rücken zum Kirchenvolk weitgehend zu verbieten. Gleichzeitig versuche Gänswein, die Behauptung zu widerlegen, dass der Ex-Papst seinem Nachfolger immer wieder „Knüppel zwischen die Beine“ geworfen und eine Art konservative Opposition betrieben habe.

Buchhinweis

„Nient’altro che la verita" ist im Piemme-Verlag in italienischer Sprache erschienen. Es soll im Februar bei Herder auf Deutsch vorliegen.

Gänswein schildert auch die Affäre um eine Buchveröffentlichung des konservativen Kardinals Robert Sarah aus seiner Sicht. Der Kardinal hatte einen Gastbeitrag des alten Papstes gegen eine Liberalisierung des priesterlichen Zölibats genutzt, um eine Ko-Autorenschaft Benedikt/Sarah für ein Buch mit „stramm konservativen theologischen Thesen“ (Ring-Eiffel) zu behaupten.

Weil es Gänswein nicht gelang, dieses Manöver zu verhindern, sagte ihm Papst Franziskus, er solle sich ab sofort nur noch um den damals schon 92-jährigen Alt-Papst kümmern und seine repräsentative Rolle am großen päpstlichen Hof ruhen lassen – eine schwere Kränkung des Erzbischofs.

„Haar-Risse an der Kirchenspitze“

Solche „Haar-Risse an der Kirchenspitze“, die Gänswein in seinem Buch anschaulich schildere, hätten „je nach Temperament der Protagonisten das Zeug, sich zu Spannungen, Polemiken und letztlich auch zu Spaltungen auszuweiten. Das ist der Hauptgrund, warum das Buch im Vatikan so viel Wirbel macht.“ Der zweite Grund sei der Eindruck, dass da jemand ungebührlich viel Hintergründiges und Persönliches ausgeplaudert habe – und das auch noch zum falschen Zeitpunkt.

Im Vatikan mehrten sich unter dem Eindruck der nun bekannt gewordenen Spannungen in den vergangenen Tagen Stimmen, die künftige Papstrücktritte nach dem Vorbild von Benedikt XVI. ablehnen. Ein solcher Amtsverzicht schaffe eine „potenziell delikate Situation“, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller warnte, ein Nebeneinander von altem und neuem Papst widerspreche dem Wesen des Papstamtes als Garant der Kircheneinheit.

„Wäre besser gewesen, zu schweigen“

Unter anderen kritisierte der emeritierte deutsche Kardinal Walter Kasper die Veröffentlichungen des aus Baden-Württemberg stammenden Gänswein. „Es wäre besser gewesen, zu schweigen“, sagte Kasper der italienischen Zeitung „La Repubblica“.

Trotz des derzeitigen Ärgers wird Gänswein eine neue Aufgabe benötigen – und Papst Franziskus wird darüber entscheiden. Am Rande der Trauerfeier für Benedikt in der vergangenen Woche äußerte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, ausweichend dazu.

Gänswein werde sich sicher selbst Gedanken machen, „und diejenigen, die Entscheidungen zu treffen haben, werden ganz gewiss gute Entscheidungen treffen“, sagte Bätzing. Vatikan-Beobachtern zufolge könnte Franziskus Gänswein auf einen Botschafterposten berufen – weit weg vom Vatikan.