Buchcover „Göttinnen“
ars edition
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Literatur

Eine innere Göttin für jedes Mädchen

Für Mädchen und Frauen gibt es in den Religionen der Welt wenige Vorbilder – scheinbar. Der üppig illustrierte Bildband „Göttinnen“ belehrt Leserinnen und Leser eines Besseren und feiert spirituelle Weiblichkeit in allen Facetten.

Göttinnen, Hexen, Erdmütter, Flussgeister, Kriegerinnen und Dämoninnen aus vielen Kulturen und Erdteilen sind die Heldinnen des Bands. Einige sind gütig, weise und fürsorglich, andere bedrohlich, grausam und todbringend – aber alle verfügen sie über Macht und viel Charisma.

Die 50 je zweiseitigen Texte der Kunsthistorikerin Janina Ramirez schöpfen aus dem Vollen der Religionen, Mythen und Sagen aus allen Weltteilen und mehreren Jahrtausenden. Die wunderschönen Bilder von Sarah Walsh dienen nicht nur der Illustration, sondern bieten auch einen Mehrwert, indem sie bestimmte Aspekte jeder Figur hervorheben und verständlicher machen.

Innenseite Buch  „Göttinnen“
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Ähnlich wie in der „Good Night Stories for Rebel Girls“-Reihe wird auf je zwei Seiten eine Göttin oder eine andere magische Gestalt vorgestellt. Das macht die Inhalte leicht konsumierbar – keineswegs nur für junge Leserinnen – und auch gut geeignet zum Vorlesen.

Skelettkriegerin und Pferdegöttin

Bekannte Figuren wie die griechische Göttin Athene, die biblische Urmutter Eva und die furchterregende Hindugöttin Kali sind wohl den meisten schon einmal untergekommen. Die aztekische Skelettkriegerin und Schmetterlingsgöttin Itzpapalotl mit Flügeln aus Obsidian, Popa Medaw, die vegetarische Menschenfresserin aus Myanmar, und die walisische Pferdegöttin der „Anderswelt“, Rhiannon, sind wahrscheinlich für die meisten neu.

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Buchhinweis

Janina Ramirez, Sarah Walsh: Göttinnen. 50 inspirierende Geschichten von mythischen Heldinnen, Hexen und Heiligen. Aus dem Englischen von Silvia Schröer. Ars edition, 112 Seiten, 23,50 Euro.

Geister, Dämoninnen und Zauberinnen, Kriegerinnen aus Babylonien und den nordischen Sagen und auch häuslichere Gestalten, Mutter- und Schöpfungsgottheiten wie zum Beispiel Oshun, eine der mächtigsten Protagonistinnen des Orisha-Kults in Westafrika, kontrastieren mit zwielichtigeren Gestalten wie der russischen Hexe Baba Yaga. Sie alle vermitteln ein vielfältiges Bild davon, was weibliche Spiritualität über die Jahrtausende hinweg ausmacht.

Wunderschön und grausam

Mit der im Nahen Osten verehrten Kriegergöttin Anat, die zwar wunderschön und strahlend ist, aber auch als Zeichen ihrer wilden Grausamkeit eine Kette mit aufgefädelten Totenschädeln trägt, wird die Ambivalenz von Göttinnen in ein und derselben Person deutlich: Sie geben Leben, können es aber auch wieder nehmen.

Der Webstuhl der „Spinnenmutter“

Jeder Abschnitt endet mit der Einordnung „Glaube einst und heute“. Damit wird neben Religion und der fantastischen Sagen- und Mythenwelt auch die konkrete Einbettung in die jeweilige Lebenswelt der gläubigen Menschen gezeigt. Beispielsweise ist dem Porträt der „Spinnenmutter“ der Navajo eine Fotografie beigestellt, die eine Frau am Webstuhl zeigt.

Dadurch werden die Sagen und Mythen in die reale Welt der lebenden Frauen eingebettet, die diese magischen Wesen verehrt haben oder noch immer verehren. Bezüge zu heute finden sich an unerwarteten Stellen. So erzählt der Abschnitt über Juno, römische Göttermutter und Schutzpatronin der Frauen, dass es im alten Rom eine Art Muttertag gab: Zu den Maternalia am 1. März bekamen Frauen Geschenke von ihren Männern und Kindern. Außerdem, so ein Detail am Rande, durften sie an diesem Tag die Haare offen tragen.

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Zusammenarbeit mit British Museum

Der wissenschaftliche Anspruch des Buchs ist bei aller Verspieltheit der Aufmachung hoch: Die Inhalte seien in Kooperation mit dem British Museum wissenschaftlich geprüft und mit Fotos aus der Sammlung des Museums ausgestattet worden, versichert der Verlag ars edition.

Ein ausführliches, nachgestelltes Glossar hilft zusätzlich bei der Einordnung und erklärt einerseits Basics wie „Judentum“, „Gottheit“ und „Ritual“ sowie andererseits weniger selbstverständliche Begriffe wie „Mantra“, „Wicca“ und „Anderswelt“.

Empfohlen wird das Buch ab zehn Jahren, entsprechend leicht verständlich sind die Texte geschrieben. Das sollte aber nicht als Einschränkung verstanden werden, denn auch wenn es unter anderem ein Beitrag zum Empowerment von Mädchen sein will: „Göttinnen“ ist auf jeden Fall etwas für jede Altersgruppe und für jedes Geschlecht.