Sprecher der Initiative #OutInChurch Rainer Teuber
Bistum Essen, Nicole Cronauge
Bistum Essen, Nicole Cronauge
Deutschland

„#OutInChurch“: Queere Initiative zieht gemischte Bilanz

Im Jahr 2022 haben 125 Beschäftigte der katholischen Kirche in Deutschland in einer ARD-Dokumentation ihr Coming-out gehabt. Die Initiative „#OutInChurch“ wollte damit auf die Diskriminierung queerer Menschen in der Kirche aufmerksam machen. Sprecher Rainer Teuber zieht ein Jahr später im Gespräch mit ORF Religion eine gemischte Bilanz.

Sie sind queer, lesbisch, schwul, bisexuell, nicht-binär oder transident: Mit dieser Botschaft sorgten die Menschen – Angestellte sowie Ehrenamtliche der katholischen Kirche – damals in der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ für Aufsehen.

Viele der Betroffenen machten damit nicht nur intime Details über ihr Privatleben für die Allgemeinheit öffentlich, sondern brachten auch ihre Jobs in Gefahr. Ein Jahr später hat die Initiative an Mitgliedern gewonnen. Rund 500 Kirchenangestellte schlossen sich „#OutInChurch“ mittlerweile an.

Rückmeldungen größtenteils positiv

Teuber arbeitet seit 1996 für die katholische Kirche in Deutschland. Im Bistum Essen ist er am Dom und der zugehörigen Schatzkammer für Museumspädagogik und den Besucherservice verantwortlich. Seit 2004 ist Teuber mit seinem Mann Karl-Heinz verheiratet. Teuber war von Anfang an Teil von „#OutInChurch“ und einer der Menschen, die in der Dokumentation von ihrem intimsten Lebensbereichen erzählt haben.

Seit Veröffentlichung von „Wie Gott uns schuf“ bekommt Teuber sehr viel Zuspruch. Vor allem von Besucherinnen und Besuchern seiner regelmäßigen Dom- und Schatzkammerführungen erfuhr der Essener wiederholt positives Feedback: „Von rund 250 Rückmeldungen per E-Mail waren zwei, die negativ waren. Der ganze Rest war wirklich durchweg positiv mit großem Zuspruch, was dann einfach auch noch mal eine ganz neue Energie und Kraft gegeben hat, da jetzt am Ball zu bleiben.“

Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht

Neben solchen persönlichen Auswirkungen zeigte das öffentliche Coming-out auch auf gesellschaftlicher Ebene Wirkung. Die „Debattenkultur“ habe sich geändert, sagt Teuber: „Ich glaube, dass einige gedacht haben, diese ganze Debatte schläft wieder ein und verschwindet dann wieder vom Tableau. Das ist nicht passiert, wie wir gerade jetzt am Jahrestag merken können. Das Interesse ist nach wie vor ganz, ganz groß.“

Auch auf kirchenrechtlicher Ebene gab es Konsequenzen. Ende November 2022 änderten die deutschen Bischöfe das kirchliche Arbeitsrecht. Das Privatleben der rund 800.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche geht ihren Arbeitgeber damit nichts mehr an. Kündigungen aufgrund einer gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer neuen Hochzeit nach einer Scheidung sind nun nicht mehr zulässig.

„Problem mit Sicherheit nicht gelöst“

Die Neuerungen im Arbeitsrecht der Kirche seien zwar ein guter erster Schritt, gleichzeitig aber nur ein kleiner Teilerfolg, sagt Teuber im Gespräch mit ORF Religion. Allein durch die Verfassung eines Textes fände noch kein Bewusstseinswandel statt. „Ich glaube, da ist jede und jeder Einzelne von uns allen gefragt, Diskriminierung entgegenzutreten – innerkirchlich und gesellschaftlich."

Nur ein Gesetz zu ändern sei daher nicht genug, meint der Museumspädagoge. Stattdessen brauche es eine Änderung der kirchlichen Sexualmoral. Diese müsse dringend an „die heutigen theologischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse“ angepasst werden. Denn durch die Überarbeitungen im Arbeitsrecht entstehe nun ein innerkirchlicher Widerspruch, sagt Teuber: „Ich als schwuler Mann, meine Arbeitskraft ist willkommen. Aber ich als schwuler Mann, als Mitglied dieser Kirche, lebe nach wie vor in Sünde.“

Sieben „Kernforderungen“

Erst vergangenen Dienstag wies Papst Franziskus in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) darauf hin, dass Homosexualität zwar kein Verbrechen sei, sehr wohl aber eine Sünde.

Insgesamt sieben „Kernforderungen“ stellte die Initiative „#OutInChurch“ vergangenes Jahr an die römisch-katholische Kirche in Deutschland. Nur eine, die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, wurde bisher umgesetzt. Die anderen sechs Forderungen, darunter zum Beispiel, dass die Kirche ihre institutionelle Schuldgeschichte aufarbeitet oder etwa die Segnung homosexueller Paare erlaubt, bisher nicht.