Betende Priester vor der Wallfahrtskirche in Fatima (Portugal)
APA/AFP/Pedro Rocha
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Portugal

4.815 Kinder in katholischer Kirche missbraucht

In der katholischen Kirche Portugals sind in den vergangenen sieben Jahrzehnten einer unabhängigen Untersuchung zufolge mindestens 4.815 Kinder sexuell missbraucht worden. Durchschnittlich waren sie 11,2 Jahre alt.

Die Zahl der zweifelsfrei bestätigten Opfer belaufe sich auf 4.815, die Anhörung von mehr als 500 Opfern lasse aber Schlüsse auf einen „viel größeren Opferkreis zu, mindestens 4815“, sagte der Vorsitzende der Kommission, der Kinderpsychiater Pedro Strecht, am Montag bei der Vorstellung des Abschlussberichts in Lissabon.

Nach Angaben des angesehenen Kinderpsychiaters waren die Opfer im Schnitt 11,2 Jahre jung. 25 Missbrauchsfälle seien bereits der Staatsanwaltschaft übermittelt worden, aber einige davon seien schon verjährt, sagte der Ex-Justizminister und Ausschussangehörige Alvaro Laborinho Lucio. Bis Ende des Monats werde man der Kirche und den Behörden eine Liste mit den Namen aller mutmaßlichen Täter überreichen, die noch als Geistliche in der katholischen Kirche aktiv seien.

Nur vier Prozent erstatteten Anzeige

Der Ausschuss hatte seine Arbeit Anfang 2022 aufgenommen, nachdem Portugal von der Enthüllung vieler Missbrauchsfälle erschüttert worden war. Insgesamt seien mehr als 500 Zeugen angehört worden, sagte Strecht vor Journalisten und Kirchenvertretern. Die meisten Missbrauchsfälle hätten sich zwischen 1960 und 2000 ereignet. Die überwiegende Mehrheit der Fälle ist bereits verjährt, 25 konnten jedoch der Polizei übergeben werden; mehrere Ermittlungen wurden bereits eingeleitet.

Den Angaben zufolge sprach fast die Hälfte (43 Prozent) der befragten Opfer verschiedenen Alters gegenüber dem Ausschuss nach oft jahrzehntelangem Schweigen erstmals über ihr Leiden. Nur vier Prozent der Opfer habe irgendwann Anzeige erstattet. In 27 Prozent aller Fälle habe der Missbrauch länger als ein Jahr angehalten.

Erschütternde Aussagen

In dem Bericht werden Opfer mit erschütternden Aussagen zitiert. „Als ich es meiner Mutter erzählte, glaubte sie mir nicht. Und sie sagte sogar, ich sei schuldig“, sagte eine als Kind missbrauchte Frau. Ein männliches Opfer berichtete, er sei „mit dem Penis (des Priesters) zwischen den Beinen und völlig schmutzig“ aufgewacht.

Der Präsident der Bischofskonferenz Portugal (CEP), Dom Jose Ornelas, sagte in einer ersten Reaktion, man sei „zutiefst besorgt über den Schmerz derer, die gelitten haben“. Am 3. März werde man zu diesem Thema eine Sondersitzung der CEP abhalten. Man wolle nun „alle Aufmerksamkeit auf die Missbrauchsopfer richten“. Finanzielle Entschädigungen von bis zu 60.000 Euro pro Opfer stehen zur Debatte, aber Opfer und deren Sprecher wiesen diese Summe empört zurück.

In einigen Fällen „epidemische Ausmaße“

Die Kirche in dem streng katholischen Land hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben, um Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen aufzudecken. Bereits im Oktober hatten Strecht und sein sechsköpfiges Expertenteam nach der Aufzeichnung von 424 Fällen erklärt, es gebe Anzeichen für „viel mehr“ Opfer. Die Aussagen offenbarten „jahrzehntelange, schwerwiegende Situationen“. In einigen Fällen hätten sie „epidemische Ausmaße erreicht“, hieß es damals.

„Es ist sehr schwer, über diese Dinge in Portugal zu sprechen“, sagte eine der in dem Bericht erwähnten Zeuginnen, „Alexandra“, nun der Nachrichtenagentur AFP. Die heute 43-Jährige war laut Bericht im Alter von 17 Jahren von einem Priester während der Beichte vergewaltigt worden. Ihr Fall ist einer der wenigen, in denen nun die Polizei ermittelt.

Missbrauchsskandale seit Jahrzehnten

Die katholische Kirche wird seit Jahrzehnten von Missbrauchsskandalen erschüttert. Angesichts tausender Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche auf der ganzen Welt und wiederholten Vertuschungsvorwürfen hatte Papst Franziskus 2019 neue Regeln zum Umgang mit Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche vorgelegt. Bei einem geplanten Besuch in Lissabon im August könnte der Papst nach Angaben des Bischofs von Lissabon einige der mutmaßlichen Opfer treffen.