Interview

Gänswein: Alle privaten Briefe von Benedikt XVI. vernichtet

Erzbischof Georg Gänswein hat nach eigenen Angaben alle privaten Briefe des früheren Papstes Benedikt XVI. nach dessen Tod vernichtet. Dies sei in dessen Testament verfügt worden; die Schriftstücke habe er geschreddert.

Das sagte der langjährige Privatsekretär des deutschen Papstes in einem Interview der „Bild“-Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). Der Hauptteil des Nachlasses wie Bücher und Manuskripte ging nach Regensburg ins „Institut Papst Benedikt XVI.“. Ein kleinerer Teil bleibe im Vatikan, zum Beispiel Briefwechsel mit seinem Vorgänger.

Ihm selbst habe der emeritierte Papst einen Tabernakel für seine neue Wohnung geschenkt, sagte Gänswein. „Dazu einige Erinnerungsstücke, zum Beispiel eine Holzfigur des Kirchenvaters Augustinus, der sein erster großer Lehrer war, diese steht jetzt in meiner Kapelle.“ Hinzu komme ein „sehr schönes Holzkreuz“, das Benedikt vor Jahrzehnten selbst geschenkt bekommen habe.

Papst Benedikt XVI. und sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein 2007
APA/Roland Schlager
Papst Benedikt XVI. und sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein 2007

Gut zwei Monate nach dem Tod des früheren Papstes fühle er Schmerz und eine „große Leere“, sagte Gänswein der Zeitung. Zugleich betonte er: „Mit den Augen des Glaubens bin ich im Frieden. Ich habe Papst Benedikt bis an die Pforte des Himmels begleitet. Ich hoffe, Petrus hat ihm aufgemacht.“ Benedikt sei jetzt dort, wo er hinwollte, „in der Freude des Glaubens“. Das sei ein großer Trost für ihn, bekannte Gänswein. Bisher habe er für Benedikt gebetet, jetzt bete er zu ihm.

Mit Benedikt über Buch gesprochen

Gänswein hatte am Dienstagabend in München sein nun auch auf Deutsch im Herder-Verlag erschienenes Buch „Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI.“ vorgestellt. Der „Bild“-Zeitung sagte der 66-jährige Erzbischof, er habe im Oktober, also wenige Wochen vor dem Tod des früheren Papstes Benedikt XVI., noch mit diesem über das Buch gesprochen.

Benedikt habe gefragt, warum sein langjähriger Sekretär dieses Buch plane. „Ich sagte: Nach Ihrem Tode werden Publikationen erscheinen, die wohl alles Mögliche behaupten – deshalb halte ich es für wichtig, dass ich meine Stimme erhebe, die aus nächster Nähe berichten und berichtigen kann.“

Vorwurf der Lüge: Benedikt „erschüttert“

Im Interview erklärte Gänswein, er habe Joseph Ratzinger gesagt, dass er ihn „wie noch nie zuvor“ habe leiden sehen, weil man ihm einen Vorwurf gemacht habe, der nicht stimme. „Der Vorwurf, von dem ich sprach, war, dass er ein Lügner sei. Wer Papst Benedikt auch nur ein wenig kennt und die Lauterkeit seiner Person, kann sich vorstellen, wie ihn das zutiefst erschüttert hat.“

Hintergrund ist das Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München und Freising von 2022, das auch Benedikt XVI. belastet: Als Münchner Erzbischof (1977-1982) habe er sich in vier Fällen fehlerhaft verhalten. Völlig gefehlt habe die Sorge um die Opfer.

Zudem erwies sich eine Aussage Benedikts XVI. zu einem besonders brisanten Fall eines Wiederholungstäters als falsch. Betroffenenvertreter reagierten entsetzt, die Medien mit teils ätzender Kritik. Benedikt XVI. musste sich persönlich erklären.

Fehler von dritter Person

Erzbischof Gänswein sagte in dem Interview der „Bild“-Zeitung, dass vier vertrauenswürdige Personen um juristische Hilfe gebeten worden seien. Einer davon sei in der Vorbereitung ein Fehler unterlaufen.

Es ging um eine Sitzung des Ordinariats am 15. Jänner 1980, bei der Ratzinger sich nicht mehr erinnert habe, ob er dabei gewesen war oder nicht. „Die Person, die das bearbeitet hatte, hat sich da geirrt, zwei Sitzungen durcheinandergebracht.“

Benedikt XVI. habe darauf bestanden, „sofort öffentlich zu korrigieren“, so Gänswein. Zu dem Zeitpunkt sei der Vorwurf der Lüge allerdings schon in der Welt gewesen. „Was völlig unterging: dass das Gutachten dem Papst in keinem der Fälle Schuld nachweisen konnte.“