Standpunkt

Theologe für neue orthodoxe Friedensethik

Einen dringend erforderlichen Diskurs für eine neue orthodoxe Friedensethik mahnt der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe Ioan Moga ein. Denn: „Der friedensstiftende Auftrag der Kirche lässt momentan kaum Früchte sehen.“

Moga äußert sich in einem Beitrag in der März-Ausgabe der Fachzeitschrift „Religion und Gesellschaft in Ost und West“. Die Basis für eine neue Friedensethik sieht Moga u.a. in spirituellen Traditionen der Orthodoxie, ebenso aber auch in zahlreichen neueren Dokumenten.

Beispiele aus der jüngeren (orthodoxen) Zeitgeschichte zeigten, dass Mystiker von totalitären Regimen durchaus als Gefahr angesehen werden. So hätte etwa die Bukarester Gruppe „Der brennende Dornbusch“ Ende der 1940er Jahre den Charakter einer antikommunistischen Widerstandsbewegung durch Zentrierung auf Spiritualität gehabt. Moga: „Die Gruppe hatte zwar keinerlei politische Ambitionen, doch wurde sie von der kommunistischen Regierung als große Gefahr angesehen und deshalb verfolgt.“

Ringen um Friedensethik

Natürlich gebe es aber auch das Gegenteil, so der Theologe im Blick auf den russischen Patriarchen Kyrill: „Wenn spiritueller Wortschatz instrumentalisiert wird, wie etwa in der jüngsten, aus Moskau kommenden Kriegsrhetorik, als sei der Invasionskrieg gegen die Ukraine ein metaphysischer Kampf gegen die bösen Mächte des Westens.“ Dies zeige, dass das Friedenspotenzial einer spirituell-liturgisch zentrierten Kirche ambivalent und fragil bleibe.

Der rumänisch-orthodoxe Theologe Ioan Moga mit weiteren Kirchenvertretern
kathbild/Franz Josef Rupprecht
Der orthodoxe Theologe Ioan Moga mahnt zu einem Diskurs über orthodoxe Friedensethik

Für die orthodoxe Theologie sei vor allem das Erbe der griechischen Patristik wichtig. Ein Topos klassischer orthodoxer Moraltheologie war und ist, dass der byzantinischen Theologie der Begriff eines „gerechten Krieges“ fremd blieb. Allerdings gibt es keine systematische byzantinische Friedensethik. Bis heute suche die orthodoxe Theologie einen Standort zwischen den verschiedenen modernen friedensethischen Positionen.

Orthodoxe Erklärung gegen Ukraine-Krieg

Friedensorientierte Theologie bedeute aber in Krisenzeiten nicht nur Diskurs und Reflexivität, sondern auch Haltung, so Moga weiter. Orthodoxe Theologinnen und Theologen weltweit hätten zu Beginn des Ukraine-Krieges bezeugt, dass sie Haltung zeigen.

Er verwies auf die von inzwischen mehr als 1.500 Personen unterzeichnete internationale Erklärung zur Lehre von der „Russischen Welt“ (Russkij Mir), in der scharfe Kritik am Moskauer Patriarchat und dessen Unterstützung für Wladimir Putins Krieg in der Ukraine geübt wird.

„Irrlehre“ von der „Russischen Welt“

In der Erklärung heißt es wörtlich: „Wir lehnen die Irrlehre von der ‚Russischen Welt‘ und die schändlichen Handlungen der russischen Regierung, die mit Duldung der russischen-orthodoxen Kirche einen Krieg gegen die Ukraine entfesselt hat, der sich aus dieser abscheulichen und unhaltbaren Lehre ergibt, als zutiefst unorthodox, unchristlich und gegen die Menschheit gerichtet ab.“

Moga gehört zu den Unterzeichnern aus Österreich. Stärkere theologische Worte gegen die ideologische und pseudo-religiöse Begründung des Ukraine-Krieges und gegen den Krieg selbst werde man schwer finden, so der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe.

Orthodoxie verurteilt Kriege

In seinem Beitrag für „Religion und Gesellschaft in Ost und West“ weist Moga auf eine Reihe orthodoxer Dokumente hin, in denen der Krieg grundsätzlich verurteilt wird; so etwa in einer Botschaft der orthodoxen Kirchenoberhäupter in Betlehem (2000), im Sozialwort des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel aus dem Jahr 2020 oder im Dokument „Die Sendung der Orthodoxen Kirche in der heutigen Welt“, das bei der Panorthodoxen Synode auf Kreta 2016 verabschiedet wurde.

In besagtem Dokument von Kreta heißt es wörtlich: „Verurteilt werden auch Kriege, die aus Nationalismus entfacht werden und zu ethnischen Säuberungen, zur Änderung von Staatsgrenzen und zur Besetzung von Territorien führen.“

Keine „Theorie eines gerechten Krieges“

Das Sozialwort von 2020 bietet laut Moga zudem die Grundlage für eine moderne, offene, orthodoxe Sozialethik. Friedens- und Militärethik kämen auch hier zur Sprache, allerdings viel nuancierter und ausgeglichener als etwa in der russisch-orthodoxen Sozialdoktrin aus dem Jahr 2000. Die „Theorie eines gerechten Krieges“ wird direkt verworfen und als unvereinbar mit der theologiegeschichtlichen Tradition der Orthodoxen Kirche gekennzeichnet.

Momentan befinde sich die Orthodoxe Kirche in einer schwierigen Lage, so das Fazit des Theologen. Die orthodoxe Kirche werde ihr volles Friedenspotenzial nur dann ausschöpfen können, „wenn sie ihre spirituelle Expertise in eine sozialethische übersetzen kann, wenn sie eine stärkere panorthodoxe Synodalität entfaltet, wenn sie die Gerechtigkeitsfrage gemeinsam mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft aktiv vorantreibt, und wenn sie sich von geopolitischen Verzahnungen freimacht“.

Für eine als Gemeinschaft von autokephalen Kirchen gestaltete und synodal verfasste Kirche wie die Orthodoxe Kirche gebe es keine andere Option „als eine demütige Stärkung dieser Synodalität“. Das sei „der Schlüssel zu ihrer Freiheit“.