Eine Frau liest das Karfreitagsabkommen, nachdem es ein Postmann gebracht hat.
Reuters/Crispin Rodwell
Reuters/Crispin Rodwell
Irland

25 Jahre Karfreitagsabkommen: Frieden in Nordirland

Es war ein langer und blutiger Weg bis zu jenem Karfreitag vor 25 Jahren: Acht Konfliktparteien einigten sich am 10. April 1998, in einer Kirche in Belfast, im sogenannten Karfreitagsabkommen auf einen historischen Kompromiss.

Bis dieser Befreiungsschlag zum Frieden besiegelt war, mussten sich die Verhandler von Irland, Großbritannien und den wichtigsten nordirischen Konfliktparteien heimlich treffen und durch den Hintereingang kommen. Vor allem die Nordiren mussten Rache von ihren eigenen Hardlinern befürchten, wie der frühere Bischof von Down und Connor (Belfast), Noel Treanor, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtete. Am Ende aber votierten in einer Volksabstimmung 71 Prozent der Nordiren und 94 Prozent der Iren für das Abkommen.

Irland verzichtet darin auf den Anspruch einer Wiedervereinigung. Im Gegenzug sollte diese per Referendum aller Nordiren möglich bleiben. Die (festgeschriebene) Bildung einer gemeinsamen Regierung von Unionisten und Republikanern sollte den Friedensprozess im Land schützen. Entwaffnung, Haftentlassungen und eine Reduzierung der britischen Truppen waren weitere Bestandteile. Und ein Passus, der nun, im Angesicht des Brexit 2020, noch einmal eine ganz neue Brisanz erhielt: Nordiren haben seit 1998 das Recht, zusätzlich zum britischen einen irischen und damit voll EU-gültigen Pass zu beantragen.

Langer Konflikt

Die Ursache des Konflikts wurzelt tief in der Geschichte. Im Hochmittelalter drangen die Normannen aus England bis auf die irische Insel vor. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts siedelten protestantische Engländer und Schotten in der Provinz Ulster im Nordosten Irlands. Und 1801 wurde Irland komplett der englischen Krone unterstellt.

Das 20. Jahrhundert stand dann im Zeichen von Widerstand und Partisanenkrieg: Osteraufstand 1916, Bürgerkrieg, ab 1948 eine unabhängige Republik Irland, wobei der Nordosten unter englischer Hoheit blieb, als ein Teil des „Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland“. Die irische Republik pochte stets auf eine Herausgabe des Nordens, in dessen ländlichen und ärmeren Regionen die katholischen Iren in der Mehrheit waren.

Militante protestantische Aktivisten heizten 1966 durch Attentate katholische Ressentiments gegen die behördliche Diskriminierung an. Gewalt der „Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA) wurde mit Gegengewalt und Vergeltung beantwortet. Die britische Armee, die zur Beruhigung der Lage herbeigerufen worden war, verlor ihre anfängliche Neutralität und wurde selbst Partei.

Eskalation nach dem „Bloody Sunday“

Die Lage eskaliert als im Jänner 1972 in Derry am sogenannten „Blutsonntag“ (Bloody Sunday) 13 unbewaffnete Demonstranten von englischen Fallschirmjägern erschossen wurden. Die englische Regierung übernahm die Kontrolle und entmachtete das nordirische Parlament. Nordiren beider Seiten fühlten sich von der jeweiligen Heimatfront zu wenig unterstützt. Milizen radikalisierten und spalteten sich. Spitzelsysteme wurden etabliert.

Rund 3.500 bis 4.000 Menschen starben, etwa die Hälfte davon Zivilisten. Dabei war es nur eine kleine Minderheit von Aktivisten, die den bewaffneten Kampf befürwortete und tatsächlich betrieb. Doch die Spaltung der Gesellschaft wurde begünstigt durch das streng konfessionelle Schulsystem im Land, auf das die jeweiligen Kirchenleitungen bestanden hatten. Es gab, und gibt bis heute, Viertel in der Hauptstadt Belfast, in denen fast ausschließlich Katholiken oder Protestanten wohnen.

Immer wieder Rückschläge

Der Schlussstrich unter Jahrzehnte des Blutvergießens gelang mit dem Karfreitagsabkommen von 1998. Doch der Konflikt schwelt bis heute weiter. Der katholische Bevölkerungsanteil ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Seit 2021 stellen Katholiken und Katholikinnen wieder die Bevölkerungsmehrheit in Nordirland. Es gibt Rückschläge, unversöhnliche Haltungen, schwierige Regierungsbildungen. Vereinzelt gab es Ausschreitungen und Bombenexplosionen.

Auch wenn gesellschaftliche Aussöhnung auf einem guten Weg ist, gehört die Nordirland-Frage zu den politisch heikelsten Aspekten des gesamten Brexits. Das Wohlstandsgefälle zwischen dem irisch-katholischen und dem besser situierten britisch-protestantischen Bevölkerungsteil ist immer noch vorhanden. Zudem hatten sich 56 Prozent der Nordiren für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Klare Mehrheiten dafür gab es in den katholisch bewohnten Wahlkreisen