Vatikan und Himmel
APA/AP/Andrew Medichini
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Vatikan

Missbrauchsexperte: Opfer fühlen sich nicht gehört

Opfer von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche leiden nach Auskunft des Jesuitenpaters und Experten Hans Zollner weiterhin oft darunter, dass religiöse Stellen ihnen den Dialog verweigern.

„Es gibt einen fortwährenden Eindruck der Opfer, dass ihnen nicht zugehört wird“, berichtete Zollner am Montag in Rom. „Viele Leute, auch ich, verstehen nicht, warum es so schwer sein soll, sich mit Opfern an den Tisch zu setzen und zuzuhören“, sagte er. Zollner ist einer der profiliertesten Experten zum Thema Missbrauch. Jüngst zog er sich überraschend aus der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen zurück, deren Gründungsmitglied er war.

Keine Antwort auf Warnungen

Zollner erklärte, er habe zunächst mehrere Male versucht, seine Warnungen intern und schriftlich einzubringen; darauf habe er aber keine Antwort erhalten. Zugleich wies er darauf hin, dass vor ihm auch schon andere Mitglieder die Kommission unter Protest verlassen hätten. Ihre Stimmen seien nicht hinreichend zur Kenntnis genommen worden.

Der aus Deutschland stammende Jesuit kritisierte die Tatsache, dass der Kommissionsvorsitzende Kardinal Sean O’Malley die Mitteilung an die Medien über das Ausscheiden Zollners ohne Abstimmung mit ihm publiziert habe.

Pater Hans Zollner
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Missbrauchexperte Zollner kritisiert unter anderem mangelnde Transparenz

Austritt sorgte für Aufsehen

„Strukturelle und praktische Probleme“ in dem Gremium seien der Grund gewesen, wie er sagte. In der Kommission fehlten ihm unter anderem eine nötige Transparenz, eine klare Aufgabenverteilung und deutliche Verantwortlichkeiten. Sein Austritt aus der Kommission hatte für großes Aufsehen an der Kurie gesorgt – mehr dazu in Experte Zollner kritisiert und verlässt Kinderschutzkommission.

Die katholische Kirche wird seit Jahren von Enthüllungen über sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche erschüttert. In mehreren Ländern – darunter auch Deutschland – ergaben Gutachten, dass teils jahrzehntelang Täter weder gesucht noch sanktioniert, dafür manchmal aber geschützt wurden. Papst Franziskus sagte mehrmals, er wolle den Kampf gegen Missbrauch und für den Schutz von Kindern verbessern. Deshalb setzte er unter anderem 2014 die Kinderschutzkommission ein.

Franziskus „hört Opfern zu“

Zollner sagte am Montag bei einer Pressekonferenz, dass das eine „geniale Idee“ des Papstes gewesen sei, schon ihre Existenz sei ein Erfolg. Franziskus sei jemand, der Opfern immer zuhöre, „das habe ich mit eigenen Augen gesehen“, schilderte der Jesuitenpater. Die Kinderschutzkommission sei wichtig und so sichtbar, dass sie keine strukturellen Fehler haben dürfe. Die Kirche müsse endlich geeignete Wege finden und Räume schaffen, um den Opfern zuzuhören.

„Es gibt Leute, die behindern“

In letzter Zeit habe er immer stärkere Zweifel an der Arbeit und am Aufbau der Kommission gehabt und das versucht zu kommunizieren. Seine E-Mails seien aber von den zuständigen Stellen nicht beachtet worden. Ob das bewusst geschehen sei, wisse er nicht. In der Kirche gebe es diejenigen, die den Kampf gegen Kindesmissbrauch ernst nehmen und sich engagieren. „Und es gibt Leute, die behindern, aus persönlichen Gründen und Gründen, die ich nicht kenne“, sagte er.

Der Theologe und approbierte Psychotherapeut Zollner, der international als Fachmann für die Prävention von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche gilt, war seit Gründung der Päpstlichen Kinderschutzkommission im Jahr 2014 durch Franziskus Mitglied des Gremiums.

Er leitet das Institut zum Schutz vor Missbrauch an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Zudem berät er Bischöfe und Priesterausbilder in allen Erdteilen in Sachen Missbrauchs-Prävention. Seit Anfang März ist der Experte zudem als Sachverständiger für die diözesane Fachstelle für Kinderschutz in der Diözese Rom tätig.