Wien

Jüdisches Filmfestival zu 75 Jahre Israel

Unter dem Motto „75 Jahre Israel Realität und Utopie“ zeigt das Jüdische Filmfestival Wien (JFW) ab Mittwoch bis 3. Mai 31 Spiel – und Dokumentarfilme sowie fünf Kurzfilme, die sich mit Geschichte und Gesellschaft Israels beschäftigen.

„Vielfältig, kontrastreich und divers – von ultraorthodox bis freizügig-liberal, von kämpferisch bis friedensbewegt – all das ist Israel“, heißt es in einer Ankündigung zum diesjährigen Filmfestival. Nach der UNO-Abstimmung im November 1947, wurde vor 75 Jahren, am 14. Mai 1948, der Staat Israel offiziell gegründet.

Seither steht das Land im ständigen Fokus der Weltöffentlichkeit: Politisch in Bezug auf die israelische Innen- und Außenpolitik, besonders die Konflikte mit der palästinensischen Bevölkerung und seine Position im Nahen Osten. Beachtet wird das Land aber auch gesellschaftlich, für seine zahlreichen zivilgesellschaftlichen Friedensinitiativen und die Multikulturalität.

Israel sei immer auch „mit Utopien verbunden – religiösen, politischen, sozialen – die oft von der Realität konterkariert wurden, aber dennoch weiterleben“, heißt es im Programm – daher auch der Titel des diesjährigen Festivals. Sowohl die meisten gezeigten Filme als auch die Vorträge und Podiumsdiskussionen im Rahmen des JFW befassen sich mit all diesen Aspekten. Die meisten der Filme sind österreichische Erstaufführungen.

Die ehemalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir wird von zwei Männern abgeführt
JFW
Der Film „Golda“ porträtiert die ehemalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir

Initiativen gegen Krieg und Feindschaft

Im Fokus des JFW 23 stehen laut Aussendung nicht nur Menschen, Kontroversen und Entwicklungen, die den Staat Israel und seine Gesellschaft prägten und prägen. Ebenso wichtig sei es den Gestalterinnen und Gestaltern des Festivals, Initiativen vorzustellen, die sich gegen Krieg und Feindschaft und für ein gewaltfreies Miteinander von Religionen, Nationalitäten und Ethnien engagieren. Und nicht zuletzt würden auch diesmal wieder hintergründige Komödien und Humor eine wichtige Rolle spielen.

Zu sehen sein werden unter anderem Filme über die großen Persönlichkeiten Israels, ihre Errungenschaften, umstrittenen Entscheidungen und ihr privates Leben. Dazu zählen Dokumentationen über Israels Staatsgründer und ersten Ministerpräsidenten David Ben-Gurion („Ben-Gurion, Epilogue“), und die ehemalige Ministerpräsidentin Golda Meir („Golda“). Amos Gitais Doku-Drama „Rabin, the last Day“ ist der Ermordung des Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gewidmet.

Bemühungen um friedliche Zweistaatenlösung

In "Apples and Oranges“ wird auf eine besondere israelische Institution geblickt: auf die Kibbutzim, die landwirtschaftlichen Kollektive, und zugleich auf den wilden Zeitgeist der 1960er-Jahre, den Kibbutz-Touristinnen und -Touristen nach Israel importierten.

Zwei junge Menschen auf einer Sonnenterrasse. Szene aus dem Film „Apples and Oranges“ über israelische Kibbutzim.
JFW
Die Kibbutzim und den Zeitgeist der 60er Jahre behandelt der Film „Apples and Oranges“

Kulturschaffenden und Filmemachern in Israel sei ein konfliktfreies Zusammenleben von Israelis, Araberinnen und Arabern, der palästinensischen Bevölkerung und die Bemühungen um eine friedliche Zweistaatenlösung schon immer ein großes Anliegen gewesen, so die Aussendung. Zu diesem Thema gibt es beispielsweise den Musikfilm „Prophets of Change“ über Kooperationen zwischen palästinensischen und israelischen Rap-Stars und anderen Musikerinnen und Musikern.

In „Four Mothers“ kommen engagierte Frauen der gleichnamigen Anti-Kriegsbewegung zu Wort, die sich als Reaktion auf den Libanon-Feldzug bildete. In „Laila in Haifa“ geht es um die zwischenmenschlichen Aspekte, die durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen und Ideologien entstehen.

Liebe, Leidenschaft und Lifestyle

Die zwischenmenschliche Dimension sei in Israel vom oft herausfordernden Alltag zwischen Religion und Säkularität über familiäre Kalamitäten bis hin zu (gleichgeschlechtlichem) Liebesfrust und Heiratslust geprägt. Der Eröffnungsfilm „Karaoke“ thematisiert die wiedererwachte Lebensfreude eines lang verheirateten Paares, während in „Hummus Full Trailer“ das Mafia-Genre auf flotte Weise parodiert wird.

Szene aus dem Film „Karaoke“ – im Bild der Schauspieler Lior Ashkenazi
JFW
Der Eröffnungsfilm „Karaoke“ thematisiert die wiedererwachte Lebensfreude eines lang verheirateten Paares

„Matchmaking“ dreht sich um das verzweifelt-amüsante Bemühen eines jungen Ultraorthodoxen, eine Liebesheirat statt einer arrangierten Ehe einzugehen. „Marrying Myself“ beschreibt fröhlich-tabulos weibliche Selbstfindung und „The Other Widow“ zeigt die ambivalente Situation einer heimlichen Geliebten. Dem Hipster-Leben und den Problemen in zunehmend gentrifizierten Stadtvierteln widmen sich Filme wie „Concerned Citizen“ und „Children of Nobody“.

Hollywood bis Wien

Das JFW 2023 zeigt auch internationale und prominent besetzte Produktionen. Dustin Hoffman und Candice Bergen brillieren etwa in dem Familiendrama „As They Made Us“, dem Filmdebut von Mayim Bialik. Daniel Auteuil spielt in „Adieu, Monsieur Haffmann“ einen Pariser Goldschmied, der sich vor den deutschen Besatzern in einem Keller zu verstecken versucht, stets kurz davor, verraten zu werden. Der weltberühmte Pantomime Marcel Marceau wird in „Die Kunst der Stille – L’Art du Silence“ nicht nur als Ausnahmekünstler, sondern auch als Resistance-Kämpfer gewürdigt.

Und die US-Dirigentin und Leonard Bernstein-Schülerin Marin Alsop, derzeit auch Leiterin des „RSO – Radio Symphonie Orchester Wien“, wird in dem Dokumentarfilm „The Conductor“ der österreichischen Filmemacherin Bernadette Wegenstein porträtiert.

Die US-amerikanische Dirigentin Marin Alsop, sie leitet das RSO Wien
Cargofilm Releasing
Bernadette Wegenstein porträtiert die Dirigentin des RSO Wien, Marin Alsop

Die italienisch-französische Spielfilm-Koproduktion „Alla Vita/ Tu choisiras la vie“ widmet sich einer jungen Frau einer ultraorthodoxen Gemeinde, die den ihr vorgeschriebenen Lebensweg verlässt. Und auch Freunde des „gepflegten Horrors“ kommen beim JFW nicht zu kurz, sie würden „an dem mystischen dänischen Psychothriller „Attachment“ Gefallen finden“, verspricht die Aussendung.

Gedenken an den Warschauer Ghetto-Aufstand

Gedacht wird im Rahmen des JFW 2023 auch des Aufstands im Warschauer Ghetto; er jährt sich am 19. April zum achtzigsten Mal. Zu diesem Thema wird im Rahmen einer Gedenkveranstaltung unter anderem die Produktion „Chronik des Aufstands im Warschauer Ghetto – Marek Edelman“ gezeigt, in die Regisseurin Jolanta Dylewska einführt.

Viele der Vorführungen werden von Gesprächen mit Regisseuren und Regisseurinnen und Historikern begleitet. Vorträge und Podiumsdiskussionen zur Geschichte und Gegenwart Israels ergänzen das Programm. Zum Beispiel eröffnet der israelische Historiker Tom Segev am 19. April das JFW 23. Er ist durch Bücher wie „Die siebente Million“, „Es war einmal ein Palästina“, „Simon Wiesenthal“ oder „Jerusalem Ecke Berlin“ international bekannt. Der Regisseur Amos Gitai wird zu seinen Filmen „Rabin, the Last Day“ und „Laila in Haifa“ sprechen.