Eine Pflegekraft hilft einer alten Frau beim Trinken
DPA/APA/Patrick Pleul
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Österreich

Ein Jahr Pflegereform: Caritas zieht kritische Zwischenbilanz

Knapp ein Jahr nach der von der schwarz-grünen Bundesregierung präsentierten Pflegereform zieht die Caritas eine kritische Zwischenbilanz. „Es braucht dringend weitere, umfassende Schritte im Gesamtsystem“, so Caritas-Präsident Michael Landau.

Bei einem Pressegespräch am Dienstag in einer Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe in Wien-Favoriten forderte Landau eine langfristige Lösung und eine möglichst rasche „Pflegereform Teil zwei“. Mit der Reform sei „nach Jahren des Zauderns“ ein Anfang „mit veritablen Verbesserungen für Berufseinsteiger, Auszubildende und jene, die auf Pflege angewiesen sind“, gelungen, erkannte Landau die Bemühungen von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) an.

Nach diesem wichtigen ersten Schritt seien weitere umfassende Maßnahmen aber unerlässlich, denn, „der Weg heraus aus der Pflegekrise ist bei weitem noch nicht zu Ende gegangen“. So viele Menschen wie noch nie seien aktuell im Pflegebereich beschäftigt, das sei eine gute Nachricht, „die schlechte Nachricht ist: Es sind noch immer zu wenig“, mahnte der Caritas-Präsident. Der Bedarf steige schneller, als Absolventen nachkommen, bis 2030 würden 75.000 bis 100.000 Arbeitskräfte fehlen, ein Drittel der aktuell tätigen Pflegekräfte werde bis dahin in Pension gegangen sein, rechnete er vor.

Kritik an Ausbildungsbonus

Ziel müsse es weiterhin sein, möglichst viele Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen und bereits tätige Fachkräfte zu halten, betonte Landau. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien der Schlüssel, um aus der Pflegekrise herauszukommen. Dafür brauche es „verlässliche und langfristige Lösungen anstatt Zuckerln für ein bis zwei Jahre“, kritisierte Landau mit Verweis auf den Ausbildungsbonus, dessen Zukunft aber nach wie vor ungeklärt ist und weitere finanzielle Anreize, die im Rahmen der Pflegereform bis 2025 ausbezahlt werde.

Auch gelte es dringend, den „Fleckerlteppich“ in der Pflege-Ausbildung zu beheben. Diese müsse „vom Bodensee bis zum Neusiedlersee“ standardisiert werden, so Landaus Appell. Dafür müssten alle Bundesländer mitziehen. Des Weiteren müsse die Ausbildungsoffensive evaluiert und weiter verstärkt werden. Zuletzt müsse Pflege und Sozialbetreuung, „als wesentlicher Beitrag am Weg aus der Pflegekrise“, gemeinsam gedacht werden. Beide Bereiche gingen „Hand in Hand“, und seien eine tragende Säule für ein Pflegesystem mit Zukunft, so Landau abschließend.

Planungssicherheit gefordert

Auch der Kärntner Caritasdirektor Ernst Sandriesser plädierte für eine bessere Verzahnung von Pflege und Sozialbetreuung. „Sozialbetreuung ist nicht Animation, sondern Aktivierung. Dann schlafen die Klienten besser, haben mehr Appetit und sind besser ansprechbar“, Pflege bringe die Struktur und sei das Fundament, „aber die Sozialbetreuung ist die Seele“, zeigte er sich überzeugt.

Aktuell sei die Situation „unbefriedigend“, sowohl für die Schülerinnen und Schüler, als auch für die 13 Ausbildungsstandorte der Caritas in ganz Österreich. „Es gibt keine Planungssicherheit über 2025 hinaus“, es brauche nun aber rasch Klarheit, so die Forderung Sandriessers.

Einblicke in die Praxis

Die Leiterin der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe in Graz, Birgit Poier, und die Diplomkrankenpflegerin Manuela Kröll gaben Einblicke in die Praxis. Es brauche dringend Einrichtung, wo Menschen mit Pflegebedarf pflegerisch und sozial betreut werden, zeigten sich beide überzeugt. Das Pflegestipendium müsse bleiben, da es vielen Interessenten die Umschulung ermögliche.

Bei dem Ausbildungsbonus gehe es für viele auch um Anerkennung für ihre Berufswahl, erzählte Schulleiterin Poier. Die Zahl der Förderungen habe durch die Sozialreform jedenfalls zugenommen, die Schülerinnen und Schüler fühlten sich weniger als Bittsteller, nach 2025 gebe es aber keine Planungssicherheit mehr. Ihr Appell an die Politik: Die Ungleichbehandlung zwischen Pflege und Sozialbetreuung beenden und in ganz Österreich die Schulgelder abschaffen, denn in Oberösterreich und der Steiermark würden diese nach wie vor nicht übernommen.

Seniorenvertreter fordern nachhaltige Pflegereform

Auch der Seniorenbund hat am Dienstag die Weichenstellung hin zu einer „nachhaltigen Pflegereform“ gefordert. „Alle Expertinnen und Experten sind sich einig: Ein nachhaltiges Pflegesystem kann nur mit einer Finanzierung aus einer Hand und einem Pflegeangebot, das in allen Bundesländern einheitlich ist, realisiert werden“, betonte die Präsidentin der ÖVP-Teilorganisation, Ingrid Korosec, mit Verweis auch auf Organisationen wie die Caritas. „Nur so können wir Angehörige effektiv entlasten“, zeigte sich die Politikerin überzeugt.

Die Seniorenvertreterin der Volkspartei nannte ihrerseits einen „7-Stufenplan“ hin zu einem einheitlichen Pflegeangebot in allen Bundesländern. Dieser sehe u.a. Verbesserungen im Berufsbild Pflegekraft sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung der 24-Stunden-Betreuung vor. Gleichzeitig forderte sie die rasche Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Pflegereform. Denn gerade jetzt, im Zuge der laufenden Verhandlungen, müssten die Weichen für eine echte Reform gestellt werden. „Sonst fahren wir die kommenden Jahre wieder auf dem falschen Gleis – und früher oder später gegen die Wand“, warnte Korosec.

Neue Maßnahmen forderte auch SPÖ-Pensionistenverband-Präsident Peter Kostelka. Er will ein Recht auf Pflege, ein eigenes Staatssekretariat für Pflege, eine Ausbildungsoffensive sowie bundesweite, kontrollierte Standards, die die Qualität der Pflege sicherstellen sollen, teilte der Verband in einer Aussendung mit. Ein erster Schritt solle die Anhebung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung auf mindestens 1.000 Euro monatlich sein, so Kostelka.