Vatikan

Ethiker: Juristischer Kompromiss bei Sterbehilfe möglich

Vatikan-Ethiker Erzbischof Vincenzo Paglia hält beim Thema Sterbehilfe rechtliche Kompromisse für möglich. Gleichzeitig bekräftigte er sein grundsätzliches Nein zum assistierten Suizid „in voller Übereinstimmung mit dem Lehramt“.

Paglia ist Leiter der Päpstlichen Akademie für das Leben. Er halte einen juristischen – nicht aber einen moralischen – Kompromiss für möglich, wonach unter bestimmten Voraussetzungen assistierter Suizid straffrei bleibe, präzisierte die Akademie Paglias Position. Das italienische Verfassungsgericht habe diese Voraussetzungen bestimmt, aber auch bestätigt, dass es sich dennoch weiterhin um eine Straftat handele. Dieser Aspekt sei Paglia wichtig.

Hintergrund ist eine Debatte um Aussagen des Kurienerzbischofs auf einem internationalen Journalismusfestival in Perugia am 19. April. „Ich persönlich würde keinen assistierten Suizid durchführen, aber ich verstehe, dass ein juristischer Kompromiss unter den konkreten Umständen, in denen wir uns befinden, am besten für das Gemeinwohl sein könnte“, sagte Paglia dort. Das Online-Portal Il Riformista veröffentlichte Auszüge seiner Rede.

Selbstbestimmtheit in Bezug zu anderen setzen

Paglia bezog sich dabei auf ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts von 2019, wonach ein assistierter Suizid unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein kann. Unter anderem muss die betroffene Person eine unheilbare Krankheit haben, die in unumkehrbarerer Weise unerträgliches Leid verursacht; zudem muss sie in der Lage sein, freiwillige und bewusste Entscheidungen zu treffen.

Erzbischof Vincenzo Paglia
APA/AFP/Andreas Solaro
Erzbischof Vincenzo Paglia hält beim Thema Sterbehilfe rechtliche Kompromisse für möglich

In seiner Rede wandte sich Paglia dagegen, beim Thema assistierter Suizid allein auf Selbstbestimmtheit ohne Bezug auf andere zu setzen. In Ländern, in denen dies der Fall sei, gebe es mehr „unfreiwillige Euthanasie“. Zudem bräuchten schwerkranke und sterbende Menschen vorrangig Begleitung.

Kritik an Paglias Aussagen

Paglias Beitrag in Perugia wurde von der italienischen Vereinigung Pro Vita e Famiglia als „Nachgeben gegenüber der Verirrung der Euthanasie“ kritisiert. Die konservative katholische Plattform La Nuova Bussola Quotidiana kommentierte Paglias Einlassung mit den Worten: „Eine Ohrfeige für das Lehramt.“

Die katholische Kirche lehnt assistierten Suizid grundsätzlich ab und wirbt stattdessen für eine intensive Begleitung Sterbender – auch durch schmerzlindernde Palliativmedizin.