Österreich

Katholiken in Wien: Fünftel mit Migrationshintergrund

Rund 20 Prozent der Wiener Katholikinnen und Katholiken haben Migrationshintergrund, sie selbst oder ihre Eltern sind nicht in Österreich geboren. Ein neues Projekt soll die Integration nun fördern.

Bei der Integration bestehe zum Teil noch Luft nach oben, wie eine Bestandsaufnahme bei der letzten Vollversammlung der Wiener Diözesankommission für Weltkirche und Entwicklungszusammenarbeit (DKWE Wien) verdeutlichte. Mit dem Projekt „Globale Partnerschaften: einander begegnen, kennenlernen und verstehen!“ wollen die Verantwortlichen der Erzdiözese nun ein Zeichen setzen, um „miteinander vertrauter zu werden und voneinander zu lernen“, wie der Vorsitzende der Diözesankommission, Christian Zettl, gegenüber Kathpress mitteilte.

Zettl: „In der Tat ist es zuweilen noch mehr ein Neben- als ein Miteinander und überhaupt hat sich bisher noch nicht überall in der Diözese herumgesprochen, dass die Ortskirche von Wien zu einem guten Teil international-weltkirchlich zusammengesetzt ist.“ Durch direkte Beziehungen und Austausch zwischen Vertretern der lateinamerikanischen, afrikanischen und philippinischen Gemeinden in Wien, den Partnerdiözesen in Ecuador, Kenia und auf den Philippinen und Pfarren in der Erzdiözese Wien soll nun ein besseres Verständnis anderer Lebenswelten und geschwisterliche Verbundenheit entstehen.

Diözesane Weltkirche-Tagung „Encuentro“

Das Projekt „Globale Partnerschaften“ wurde dieser Tage gestartet und läuft bis Jänner 2024. Höhepunkt wird die diözesane Weltkirche-Tagung „Encuentro“ am 11. November in Wien sein, bei der es zu persönlichen Begegnungen der Dialogpartner kommen wird. Hinter dem Projekt stehen die DKWE, das Wiener Pastoralamt, die ARGE AAG, die Erwachsenenbildung der Erzdiözese und die Partnerdiözesen der Erzdiözese Wien.

Zettl sieht Aufholbedarf sowohl beim Bewusstsein in der Wiener Kirche über die Realität der anderssprachigen Katholiken, als auch bei deren Mitgestaltungs- und Teilhabemöglichkeiten als eigene kirchliche Orte. Nicht zuletzt müssten die Stimmen der „Weltkirche in Wien“ möglichst authentisch auch in den entscheidenden Gremien der Erzdiözese repräsentiert sein.

Wandel der Kirche in Wien

Markus Beranek, Pastoralamtsleiter und Vertreter der Diözesanleitung in der DKWE, sieht die Kirche von Wien in einem grundsätzlichen Wandel: „Die Anderssprachigen Gemeinden wurden ursprünglich als ‚Gäste‘ verstanden, heute erkennen wir, dass es Realität und wesentliches Merkmal der Kirche in Wien ist, eine Kirche der Diversität zu sein. Das hat sich bislang noch kaum im Selbstverständnis und in den Strukturen niedergeschlagen.“

Diözesane Dienststellen seien traditionell sehr auf die Pfarren der Erzdiözese ausgerichtet, so der Vertreter der Caritas in der DKWE, Rainald Tippow. Die „Anderssprachigen“ seien bislang einfach nicht auf dem Radar und als Dialogpartner und Zielgruppe zu wenig wahrgenommen und einbezogen.

Vielfalt erfahrbar und zugänglich machen

Bei der jüngsten Vollversammlung der DKWE Wien berichteten Seelsorger und Mitglieder aus drei anderssprachigen Gemeinden in Wien über ihre Lebenswirklichkeiten und ihre Art Kirche zu sein. Alexander Kraljic, Generalsekretär der Anderssprachigen Gemeinden (ARGE AAG) erachtet als eine zentrale Aufgabe, diesen Reichtum der Vielfalt erfahrbar und zugänglich zu machen und für mehr Integration in der Kirche von Wien zu sorgen.

Es gebe zudem eine große Hilfsbereitschaft in den anderssprachigen Gemeinden bei Notlagen und Naturkatastrophen, so Kraljic. Oft wisse man nicht, wie man am besten helfen könne. Die guten Direktkontakte in die Länder und qualitätsvollen Katastrophen- und EZA-Projekte der katholischen Hilfswerke und DKWE-Mitgliedsorganisationen könnten hier eine Lücke füllen.

Potenzial bei Orden

Günter Mayer, Vertreter der Wiener Ordenskonferenz in der DKWE, sah ein weiteres bislang zu wenig wahrgenommenes Potenzial: Die in Wien beheimateten Orden können durch die Anwesenheit von „zweitheimischen Ordensleuten“ in Wiener Pfarren und ihre Präsenz in vielen Ländern des Globalen Südens verbindende Dienste leisten.

7.000 Gläubige in philippinischer Gemeinde

Marizel Aguirre, Vertreterin der Philippinischen Gemeinde, schätzt die Anzahl der in Österreich lebenden Philippiner auf ca. 35.000 bis 40.000. Zum größten Teil kamen diese in den 1970er-Jahren nach Wien, als die damalige Stadtregierung philippinisches Pflegepersonal anheuerte. Die Wiener Filipino Catholic Chaplaincy zähle ca. 7.000 Menschen, die verteilt auf verschiedene Gemeinden in Wien und Wiener Neustadt in „gewöhnlichen“ Pfarren einen Platz gefunden haben.

Das Zusammenwirken zwischen Gästen und Gastgebern sei nicht immer friktionsfrei verlaufen, berichtete Aguirre. Inzwischen gebe es aber schon einige gemeinsame Projekte mit den Wiener Gastgeber-Gemeinden und in der Pfarre Salvator am Wienerfeld eine Vertretung der Philippiner im Pfarrgemeinderat.

„Das Leben der Filipino Catholic Chaplaincy war nicht immer einfach, da wir von Kirche zu Kirche wanderten, um Messen abzuhalten. Nun sind wir endlich dort angekommen, wo wir sein möchten“, zeigte sich Aguirre zufrieden. Pastoralamtsleiter Beranek ergänzte: „Es gibt Überlegungen, anderssprachige Gemeinden in Zukunft als eigene Teilgemeinden größerer Pfarren prinzipiell strukturell einzubeziehen.“

Swahilisprachige Gemeinde

Die swahilisprachige Gemeinde bestehe aus maximal 60 Mitgliedern, hauptsächlich Menschen aus Kenia und Tansania, so Raphael Mchopa, tansanischer Seelsorger in Wien. Die meisten Mitglieder der in St. Brigitta im 20. Wiener Gemeindebezirk beheimateten Gemeinde seien alteingesessen und wohnen verstreut in den Vikariaten im Weinviertel und Industrieviertel, wenige in Wien.

Viele von ihnen seien ursprünglich als Kindermädchen gekommen, einige arbeiteten jetzt im Pflegebereich, andere studierten und arbeiteten nebenher. Das Zusammenkommen als swahilisprachige Gemeinde erfülle einen wichtigen Identität erhaltenden und sozialen Zweck, so Mchopa.

Reichtum liegt in Vielfalt

Die lateinamerikanischen Gemeinden in Wien zählen Menschen zu ihren Mitgliedern, deren Ursprung großteils in den spanischsprachigen Ländern und in Brasilien liege, aber längst nicht nur solche, so Angelo José Mejia Reynoso, einer der Seelsorger: „In der Tat kommen Menschen vieler Nationen zu uns, Österreicher und Österreicherinnen und andere, die teils mit Lateinamerikanern verheiratet sind oder einen anderen Bezug zu unseren Ländern haben. Alle sind bei uns willkommen.“

In dieser Vielfalt liege ein großer Reichtum, gleichzeitig sei es eine Herausforderung, den verschiedenen Landestraditionen mit ihren jeweiligen Landespatronen gerecht zu werden, so der aus der Dominikanischen Republik stammende Priester. Die vier Gottesdienstgemeinden repräsentierten zum Teil auch unterschiedliche Ausrichtungen, erläuterte der Priester. Während etwa die Gemeinde in St. Florian im 5. Wiener Gemeindebezirk eine volkskirchliche Ausrichtung hat, sei jene am Akkonplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus basisgemeindlich orientiert.