Wien

Antisemitismus: Weniger Fälle, aber mehr Gewalt

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien hat am Montag ihren Antisemitismus-Jahresbericht für 2022 präsentiert. Die Zahl der Vorfälle ist demnach zurückgegangen, physische Übergriffe allerdings gestiegen.

Die von der IKG betriebene Antisemitismus-Meldestelle verzeichnete insgesamt 719 Vorfälle, ein Rückgang von 25,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei handle es sich noch immer um den zweithöchsten Wert seit Beginn der Dokumentation 2008, betonte IKG-Präsident Oskar Deutsch am Montag.

Die Statistik sei nur eine „kleine Bilanz“ und mache nur einen Teil des Antisemitismus in Österreich sichtbar, betonte Deutsch bei der Präsentation des Berichts am Montag. Es gehe dabei nur um tatsächlich gemeldete Fälle, die Dunkelziffer sei wohl weit höher. Nicht zuletzt hatten die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen für einen Rekord an Meldungen im Jahr 2021 gesorgt. Insgesamt wurden damals 965 Fälle registriert. Davor – im Jahr 2020 – waren es mit 585 noch deutlich weniger.

Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Oskar Deutsch und Generalsekretär Benjamin Nägele am Montag, 15. Mai 2023, bei der Präsentation des Jahresberichts der Antisemitismus-Meldestelle in Wien
APA/Helmut Fohringer
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Oskar Deutsch und Generalsekretär Benjamin Nägele bei der Präsentation des Jahresberichts der Antisemitismus-Meldestelle in Wien

Meiste Angriffe aus rechter Szene

Auch wenn nun weniger antisemitische Vorfälle im vergangenen Jahr gemeldet wurden, stieg deren Intensität. Vor allem die Zahl der physischen Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen stieg an, zeigt der Bericht. Diese Angriffe seien vor allem der Kategorie des „muslimischen“ Antisemitismus zuzuordnen, wobei die Täter und Täterinnen zumeist Jugendliche waren, berichtete IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele. Insgesamt machten Angriffe und Bedrohungen durch „muslimischen Antisemitismus“ neun Prozent der gemeldeten Fälle aus.

Mehr als die Hälfte aller Fälle (55 Prozent) kam aus dem politisch rechten Spektrum, 20 Prozent waren auf die linke Szene zurückzuführen. „Jeder antisemitische Vorfall ist ein antisemitischer Vorfall zu viel. Und mir ist wirklich vollkommen wurscht, woher er kommt“, meinte aber IKG-Präsident Deutsch dazu. Gesunken sind laut Bericht Fälle von Massenzuschriften und generell Fälle mit Bezug zur CoV-Pandemie.

Mehr physische Angriffe

Erschreckend sei die Zahl der Angriffe gegen jüdische Kinder und Jugendliche sowie das junge Alter von Tätern, sagte Deutsch. Die IKG verwies auf ähnliche Beobachtungen in Deutschland und Großbritannien.

Die Gesamtzahl der gemeldeten Vorfälle setzt sich zusammen aus 14 tätlichen Angriffen, 21 Bedrohungen, 122 Sachbeschädigungen, 140 Massenzuschriften und 422 Fällen von verletzendem Verhalten. Im Rekordjahr 2021 wurden 12 physische Angriffe verzeichnet, womit das Jahr 2022 die höchste Zahl gemeldeter physischer Angriffe verzeichnet.