Der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin
Kathpress/Paul Wuthe
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Interview

„Nummer zwei“ des Vatikans zu Ukraine, China, Migration

Über den Versuch der Friedensvermittlung zwischen Russland und der Ukraine, die Verhandlungen des Vatikans mit China und Fragen der Migration hat Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Rom gesprochen.

Parolin ist seit 2013 maßgeblich für die politischen und diplomatischen Aktivitäten des Heiligen Stuhls verantwortlich. In einem Gespräch mit österreichischen Medien, darunter der ORF, äußerte er sich mit Blick auf ein baldiges Kriegsende in der Ukraine zurückhaltend: „Ich persönlich sehe zurzeit nicht so viele Möglichkeiten für positive Fortschritte.“ Trotzdem sei es wichtig, Initiativen und Räume anzubieten, um Gespräche führen und vermitteln zu können.

Der Friedensbeauftragte des Vatikans, Matteo Zuppi, der am Donnerstag auch mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill zusammentreffen werde, konzentriere sich so im Moment vor allem auf humanitäre Fragen. Vorsichtig optimistisch äußerte sich Parolin mit Blick auf die Verhandlungen zwischen China und dem Vatikan und die Lösung der Migrationsfrage.

Der vatikanische Staatssekretär Pietro Parolin
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Die EU müsse darauf achten, dass „ganze Last der Migration nicht auf die Länder fällt, die erste Ankunftsländer sind“, so Parolin.

Positive Aspekte der Migration unbeachtet

Ein grundsätzliches Problem sieht Parolin darin, dass die Länder der Europäischen Union nicht in der Lage sind, eine Übereinkunft zu treffen, die beinhaltet, dass die „ganze Last der Migration nicht auf die Länder fällt, die erste Ankunftsländer sind“. Ein zweites Problem liege darin, dass das Thema der Migration durchwegs negativ besetzt ist. „Man übersieht dadurch die unterschiedlichen positiven Aspekte, die Migration mit sich bringt.“

Sendungshinweis

Ein Ausschnitt des Interviews am 29. Juni um 18.55 Uhr in Ö1 in „Religion aktuell“

Entscheidend wäre auch, dass reiche Länder in jene Länder investieren, aus denen Menschen emigrieren. Im Idealfall bliebe so nur das Phänomen der freiwilligen Migration: „Über das Phänomen einer freiwilligen Migration gibt es weitgehend Konsens. Das Problem ist, wenn Menschen gezwungen werden, durch Konflikte und Kriege“ ihre Heimatländer zu verlassen.

Parolin: Menschenleben müssen immer gerettet werden

Während regierende Politiker in anderen Fragen rund um das komplexe Thema der Migration durchaus frei sein müssten, eigene politische Regelungen zu treffen, müsse das Prinzip, Menschenleben zu retten, für alle gleich gelten, so Parolin – auch für jene Menschen, die die Fluchtroute über das Mittelmeer wählen.

Wie auch Papst Franziskus betonte Parolin, dass zudem das „tragische Phänomen der Geschäftemacherei mit Migration sehr grundsätzlich angegangen werden“ müsse. Trotz aller Herausforderungen zeigte der Kardinal sich aber optimistisch, dass Lösungen gefunden werden können, so Politiker und Politikerinnen sich dazu bereit erklären. Ebenso vorsichtig optimistisch zeigte Parolin sich mit Blick auf die Verhandlungen mit China.

Geduld im Dialog mit China

Die zum Teil viel kritisierte Vereinbarung des Vatikans mit China löse zwar nicht alle Probleme, so der Kardinalstaatssekretär, sie sei aber doch als Fortschritt zu betrachten. Bis zur Unterzeichnung der Vereinbarung sei es nicht möglich gewesen, zusammenzuarbeiten. Das sei nun anders: „Es gibt regelmäßige Treffen zwischen der chinesischen und der vatikanischen Delegation.“ Es sei wichtig, nun dranzubleiben, auch wenn es von beiden Seiten viel Geduld brauche, betonte Parolin.

Offen und ein großes Problem sei nach wie vor, wie die Frage der sogenannten Untergrundgemeinden, die der Staat nicht anerkennt, gelöst werden kann. „Es braucht in dieser Frage noch viel Dialog und auch einiges an gegenseitigem Vertrauen, das auch erst wachsen muss“, so der Kardinalsstaatsekretär.