Das Haus der ehemaligen Schwedische Israelmission in der Seegasse 16 in Wien
Gedenktheater

Der evangelischen Judenrettung auf der Spur

Die evangelische Schwedische Israelmission in Wien hat im Zweiten Weltkrieg Tausenden wegen ihrer jüdischen Herkunft Verfolgten zur Flucht verholfen. Die Schauspielerin Waltraud Barton erzählt in Spaziergängen die Geschichte ihres Großonkels und fragt, ob die Mission selbst antisemitisch war.

Unter dem Titel „Kennen Sie Lizzi Holler? Ein theatraler Stadtspaziergang von und mit Waltraud Barton“ organisiert die Schauspielerin am 4., 6. und 11. Juli ab 17 Uhr „eine ganz besondere Führung“ durch den „jüdischen Alsergrund“, wie es in der Ankündigung des Gedenktheaters heißt.

Die Simon-Wiesenthal-Preisträgerin erzählt bei den theatralen Spaziergängen in drei Abschnitten von der abenteuerlichen Flucht ihres Großonkels, der sich mit Hilfe der Schwedischen Israelmission in die Schweiz retten konnte. Sie fragt bei den Spaziergängen auch nach dem Schicksal der Fluchthelferinnen und Fluchthelfer.

Evangelische halfen bei Flucht

Die Schwedische Israelmission war eine Einrichtung der evangelisch-lutherischen Staatskirche Schwedens für die „Evangelisierung unter Juden“, also die Bekehrung von Jüdinnen und Juden zum Christentum. Schon 1920 hatte sie ihre Arbeit in Wien aufgenommen, 1922 wurde das Haus Nr. 16 in der Seegasse im 9. Wiener Gemeindebezirk gekauft. Im Sommer 1936 kam der schwedische Pastor Göte Hedenquist nach Wien, um seinen Dienst in der Schwedischen Israelmission anzutreten.

Schauspielerin Waltraud Barton
Michèle Pauty
Waltraud Barton

Nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 wurde die Institution jedoch zu einer Anlaufstelle für verfolgte evangelische Christinnen und Christen jüdischer Herkunft sowie Jüdinnen und Juden und ermöglichte 3.000 von ihnen die Ausreise und somit die Flucht vor dem Naziregime. Hedenquists Aufzeichnungen dokumentieren, wie Missionare und Mitarbeiterinnen der Seegasse Verfolgten zur Flucht verhalfen. Bald geriet die Schwedische Mission selbst ins Visier der Gestapo und wurde am 10. November 1941 von ihr geschlossen.

Kritische Fragen

Die Schwedische Israelmission wird aber auch kritisch hinterfragt, da sie ursprünglich zum Ziel hatte, Jüdinnen und Juden dazu zu bringen, zum Christentum zu konvertieren.

In den Spaziergängen will Barton daher auch Antisemitismus thematisieren und geht in Ankündigungstext auf die Schriftstellerin Ilse Aichinger ein. „Warum nennt Ilse Aichinger die Schwedische Israelmission ‚antisemitisch‘?“, fragt Barton.

Nur mit Anmeldung

Die Spaziergänge finden im Rahmen des Kultursommers Alsergrund statt. Wer an einem Spaziergang teilnehmen möchte, müsse sich per Mail anmelden unter office@waltraud-barton.at. Treffpunkt wird mit 17.00 Uhr vor den Häusern Porzellangasse 41 – 43, 1090 Wien angegeben. Von dort soll es etwa eine Stunde lang zu Fuß durch den 9. Bezirk gehen. Nur bei zwei der sechs Stationen gibt es einige Sitzmöglichkeiten.

Der theatrale Spaziergang endet schließlich vor der U4-Station Rossauer Lände, auf Wunsch gibt es dort noch eine Abschlussdiskussion. Der Spaziergang dauert etwa bis 18.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Bei Schlechtwetter an einem Vorführtag (4. Juli, 6. Juli und 11. Juli) findet der Ersatztermin am 13. Juli statt.

Barton gründete Gedenkverein

Waltraud Barton ist neben ihrer Arbeit als Schauspielerin auch als Coach und Mediatorin tätig. Sie ist die älteste Tochter eines evangelischen Theologieprofessors.

Angeregt von der Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte gründete Barton 2010 den Verein „Initiative Malvine-Maly Trostinec Erinnern“ (IM-MER). Malvine Barton, die erste Frau ihres Großvaters, wurde im Konzentrationslager Maly Trostinec ermordet.